Marek Dunin-Wasowicz ist Nebenkläger in einem der mutmaßlich letzten Prozesse wegen der Verbrechen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazizeit. Dass der 93-jährige Überlebende des NS-Lagers Stutthof die Mühen auf sich nahm, in dem Hamburger Prozess gegen den gleichaltrigen ehemaligen SS-Wachmann Bruno D. auszusagen, hat mit dem Wunsch vieler Überlebender zu tun: „Wir wollen nicht, dass diese Zeit wiederkehrt“, sagte er in einem AFP-Interview in seiner Warschauer Wohnung.
Er habe sich „moralisch dazu verpflichtet gefühlt“, im Namen der rund 60.000 Toten von Stutthof und der wenigen heute noch lebenden Lager-Insassen über das entsetzliche Geschehen in dem NS-Vernichtungslager zu berichten, sagt Dunin-Wasowicz.
Die Nazis hatten Dunin-Wasowicz unter dem Verdacht, dem polnischen Widerstand gegen die deutschen Besatzer anzugehören, verhaftet und im Mai 1944 nach Stutthof bei Danzig gebracht. Als das Lager angesichts des Heranrückens der Roten Armee geräumt wurde, konnte er auf einem der berüchtigten Todesmärsche im Februar 1945 flüchten.
In den Monaten seiner Lagerhaft bekam er genau mit, was dort vor sich ging – ein Blick auf Gaskammer und Krematorium reichte. Dass D. in dem Prozess aussagte, er habe das ganze Ausmaß des Grauens erst später begriffen, empört Dunin-Wasowicz. Wenn der Angeklagte behaupte, von dem schrecklichen Geschehen im Lager nichts bemerkt habe, „dann lügt er einfach“. „Ob direkt oder indirekt, er war an dem Morden beteiligt.“
Auch das Argument des ehemaligen SS-Wachmanns, er habe keine andere Wahl gehabt, lässt der 93-Jährige nicht gelten. „Er wusste genau, was vor sich ging. Er hätte das nicht tun müssen.“ Dass D. in seinem letzten Wort alle um Verzeihung bat, „die durch diese Hölle des Wahnsinns gegangen sind“, lässt ihn kalt: „Ich möchte seine Entschuldigung nicht, ich brauche sie nicht.“
Eine andere Entschuldigung hat Dunin-Wasowicz hingegen sehr berührt. Nach seiner Aussage im vergangenen Jahr in Hamburg bildete sich vor seinem Tisch im Gerichtssaal eine Schlange, erzählt er: „Sie kamen, um im Namen ihrer Großväter, ihrer Väter um Vergebung zu bitten. Ich war geschockt. Das hatte ich nicht erwartet. Im Herzen Deutschlands.“
Angesichts der zunehmenden rechtsextremen Angriffe und Umtriebe hält Dunin-Wasowicz seine Mission für noch wichtiger als früher. Es sei ihm ein „schwieriges und schmerzliches Bedürfnis“, Zeugnis abzulegen, um „dem Faschismus, Neofaschismus und all den anderen Übeln, die Hitler und die Lager zur Folge hatten“, entgegenzuwirken.
„Wir KZ-Häftlinge wollen nicht, dass die Hände zu einer Art ‚Heil‘-Geste erhoben werden, denn Hände sind zum Händeschütteln da“, sagt er. „Wir wollen kein Gebrüll, denn wir erinnern uns an das Brüllen der Gestapo und der SS in den KZ.“ Und: „Wir wollen nicht, dass Bücher verbrannt werden, denn früher wurden zuerst Bücher verbrannt und dann Menschen.“ Diese Botschaft werde er wiederholen, „bis ich sterbe“.