Im Porträt: Anthony Fauci – Mahner auf verlorenem Posten

Anthony Fauci
Anthony Fauci

In den vergangenen Tagen scheint so etwas wie ein Wettkampf zwischen Donald Trump und Anthony Fauci entbrannt zu sein. Während der US-Präsident ein rosiges Bild von der Coronavirus-Pandemie zeichnet, ist der renommierte Virenexperte der ständige Mahner. Stets ruhig und sachlich, aber unbeirrbar in der Sache: Die USA, so stellt das prominenteste Mitglied des Corona-Krisenstabs des Weißen Hauses immer wieder klar, haben ein richtiges Problem. Bei Trump stößt das weniger als vier Monate vor der Präsidentschaftswahl aber auf taube Ohren.

Mit seinen Klartext-Ansagen sorgt Fauci immer wieder für Wirbel. Ende Juni warnte der 79-jährige Leiter des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID), die USA könnten bald 100.000 Neuinfektionen pro Tag erleiden. Er sei „sehr besorgt“, weil „wir in die falsche Richtung gehen“. Zu diesem Zeitpunkt gab es täglich rund 40.000 neue Fälle – inzwischen sind es mehr als 60.000.

Unablässig warnt der italienischstämmige Immunologe mit der rauen Stimme und dem markanten Akzent seines Geburtsorts Brooklyn vor einer zu raschen Lockerung der Corona-Beschränkungen. Die USA seien noch „knietief“ in der ersten Infektionswelle. „Der derzeitige Zustand ist wirklich nicht gut.“

Mit solchen griffigen, ungeschminkten Aussagen ist Fauci in der Corona-Krise zu einem wahren Medizin-Star geworden. Der hochdekorierte Forscher wird von vielen als Stimme der Vernunft gefeiert und genießt längst Kultstatus. Er wurde in der Comedy-Show „Saturday Night Live“ von Hollywood-Star Brad Pitt verkörpert, inzwischen gibt es Fauci-Wackelkopf-Figuren, und Bars bieten Cocktails in Plastikbeuteln zum Mitnehmen als „Fauci Pouchy“ (pouch bedeutet Beutel) an.

Doch mit seiner mahnenden Botschaft scheint Fauci nicht mehr zum Präsidenten durchzudringen. Trump pocht im Wahljahr 2020, ungeachtet von inzwischen 134.000 Toten, auf eine schnelle Rückkehr zur Normalität und redet den dramatischen Wiederanstieg der Infektionszahlen klein. Fauci hat den Präsidenten nach eigenen Angaben seit einem Monat nicht mehr getroffen und seit zwei Monaten nicht mehr über das Virus informiert.

Trump, bekanntermaßen kein großer Freund der Wissenschaft, wies seinen wichtigsten Corona-Berater kürzlich sogar öffentlich zurecht: „Ich stimme nicht mit ihm überein“, sagte er in einem Interview. Fauci habe schon bei „vielen Dingen“ daneben gelegen. „Ich denke, wir befinden uns in einer guten Lage.“

Sollte Fauci, der in seinen 36 Jahren als Institutsleiter schon sechs US-Präsidenten beraten hat, an Trump verzweifeln – anmerken lässt er sich nichts. Offene Kritik am Präsidenten hat der neben dem bulligen Trump winzig erscheinende Wissenschaftler sich stets verboten. Zuletzt beklagte Fauci aber immer mehr, dass die „politische Spaltung“ der USA ein einheitliches Vorgehen gegen die Pandemie erschwere.

Tatsächlich ist der Umgang mit dem Coronavirus in den USA zu einem Kulturkampf mit tiefen ideologischen Gräben geworden – insbesondere bei der Frage von Schutzmasken. Trump, der das Tragen einer Schutzmaske beharrlich verweigert, hat diesen Kulturkampf maßgeblich mit entfacht. Und Fauci versucht, mit Ruhe und Sachverstand gegenzusteuern.

Doch das wird immer schwieriger. Die täglichen Pressekonferenzen der Coronavirus-Taskforce, bei denen Fauci an der Seite Trumps auftrat und irreführende Äußerungen des Präsidenten mit diplomatischen Geschick richtig stellte, sind schon lange Geschichte. Medienberichten zufolge untersagt das Weiße Haus dem Mediziner inzwischen auch Fernsehinterviews, weil seine düsteren Prognosen dem Präsidenten missfallen.

„Ich habe den Ruf, immer die Wahrheit zu sagen und Dinge nicht zu beschönigen“, sagte Fauci dazu jüngst der „Financial Times“. „Das könnte einer der Gründe sein, warum ich zuletzt nicht viel im Fernsehen war.“

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