Bertelsmann Stiftung warnt vor Ausbremsung der Globalisierung durch Corona

Die Welt ist ein globales Netzwerk

Die Bertelsmann Stiftung hat vor Corona-bedingtem Protektionismus und den Auswirkungen auf den Welthandel gewarnt. Es sei zwar „angebracht, Lieferketten zu überprüfen und Abhängigkeiten in sensiblen Industriebereichen zu reduzieren“, erklärte die Stiftung am Donnerstag bei der Vorstellung ihres Globalisierungsreports. Doch „die aktuellen Abschottungstendenzen sehen wir mit großer Sorge. Denn der Versuch, die Globalisierung zurückzudrehen, würde mit Wohlstandsverlusten für alle Länder einhergehen.“

Neue Handelshemmnisse oder das Absenken von Umweltstandards könnten die Globalisiserungsgewinne der letzten 30 Jahre in Deutschland und anderen Volkswirtschaften weltweit „teilweise zunichtemachen“, warnte die Stiftung. Sie schätzte, dass sich „die globalisierungsbedingten Einkommensgewinne je Bundesbürger“ durch die Pandemie bereits nach jetzigem Stand um 100 bis 500 Euro für ein Jahr verringern könnten.

Sowohl Industriestaaten als auch Entwicklungs- und Schwellenländer seien bislang „Globalisierungsgewinner“, betonte die Bertelsmann Stiftung. Für ihren Report ließ sie untersuchen, wie stark die globalen Handelsbeziehungen von 45 Industrie- und Schwellenländern sind – und welche Wohlstandsgewinne das mit sich bringt. Das Ergebnis: Alle untersuchten Länder verzeichneten im Zeitraum zwischen 1990 und 2018 Zuwächse beim realen Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner, die sich auf die Globalisierung zurückführen lassen.

Die größten absoluten Einkommenszuwächse pro Bürger und Jahr infolge der Globalisierung verzeichneten den Angaben zufolge weit entwickelte Industrienationen: Japan (rund 1800 Euro), Irland und die Schweiz (je rund 1.600 Euro). In Deutschland betrug der Zugewinn jedes einzelnen demnach durchschnittlich rund 1100 Euro pro Jahr.

„Relativ betrachtet holen viele Schwellenländer und junge Marktwirtschaften allerdings stark auf“, erklärte die Stiftung und verwies auf China: Hier stieg das Pro-Kopf-Einkommen demnach allein durch die Globalisierung in den vergangenen drei Jahrzehnten um mehr als das Sechsfache.

„Stärker globalisierte Staaten können die Gewinne der Globalisierung zum Beispiel für Fortschritte in der Gesundheitsversorgung oder Bildung nutzen“, erklärte Thomas Rausch, Experte für internationale Beziehungen bei der Bertelsmann Stiftung. Umso wichtiger sei es, möglichst alle Länder an der Globalisierung teilhaben zu lassen: „Die Industrienationen sind aufgefordert, Ungleichgewichte zu beseitigen und ihre Märkte stärker für Produkte aus Entwicklungsländern zu öffnen.“

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