Der deutsche EU-Vorsitz hat einen Vorschlag für finanzielle Sanktionen gegen Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit vorgelegt. Er sieht nach AFP-Informationen vom Montag die Kürzung oder Streichung von EU-Geldern vor, wenn „die gute finanzielle Verwaltung des EU-Haushalts oder der Schutz der finanziellen Interessen der Union beeinträchtigt werden“. Dies muss demnach aber „in ausreichend direkter Weise“ nachgewiesen werden, was Spielraum für Interpretationen lässt.
Nötig für einen Sanktionsbeschluss wäre nach dem Verordnungsentwurf ein Vorschlag der EU-Kommission, dem eine qualifizierte Mehrheit im Rat der Mitgliedstaaten zustimmen muss. Dies wären mindestens 15 der 27 Mitgliedstaaten, die für 65 Prozent der Bevölkerung stehen.
Der deutsche Vorschlag setze die Entscheidungen des EU-Sondergipfels vom Juli „präzise um“, hieß es aus EU-Kreisen. Bei ihm hatten die Staats- und Regierungschefs vier Tage um einen Kompromiss zum nächsten EU-Mehrjahreshaushalt und zum Hilfsfonds gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise gerungen. Die Frage der Finanzsanktionen bei Rechtsstaatsverstößen waren damals ein Knackpunkt.
Ungarn und Polen hatten bei den Verhandlungen mit einem Veto gegen das 1,8 Billionen Euro schwere Finanzpaket gedroht, sollte der Sanktionsmechanismus zu Rechtsstaatsverstößen zu hart ausfallen. Die Regierungen in Budapest und Warschau stehen seit Jahren wegen Rechtsstaatsverstößen in der EU am Pranger.
Reaktionen aus den Mitgliedstaaten standen am Montag zunächst aus. Aus EU-Kreisen gab es aber bereits eine Warnung, den Gipfelkompromiss wieder aufzuschnüren. „Wichtig ist, dass sich alle Seiten daran erinnern, was beim Europäischen Rat beschlossen wurde und nicht erneut für das streiten, was bereits damals nicht durchsetzbar war“, hieß es. Bei dem Gipfel hatten mehrere Länder für ein schärferes Vorgehen geworben.
Zudem muss auch das Europaparlament dem EU-Mehrjahreshaushalt zustimmen und verlangt einen härteren Sanktionsmechanismus. Es fordert dazu, die Mehrheitsverhältnisse bei der Entscheidung über die Kürzung oder Streichung von EU-Mitteln umzudrehen. Demnach soll eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten nötig sein, um einen solchen Vorschlag der Kommission zu stoppen. Damit würde die Hürde, um Finanzsanktionen zu verhindern, höher gelegt.
Wegen dieses Konflikts und der Forderung des Parlaments, das EU-Mehrjahresbudget deutlich zu erhöhen, sind die Haushaltsgespräche derzeit blockiert. Der deutsche EU-Botschafter Michael Clauß hatte am Freitag davor gewarnt, dass dies auch zu Verzögerungen beim geplanten Start des 750 Milliarden Euro schweren Corona-Hilfsfonds Anfang 2021 führen könne. Das Parlament sieht das Problem dagegen in der Unbeweglichkeit der Mitgliedstaaten.