Druck auf Seehofer wächst von allen Seiten

Symbolbild: Flüchtlinge auf einem Boot
Symbolbild: Flüchtlinge auf einem Boot

In der Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem zerstörten Lager Moria ist Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) unter starken Druck geraten. Auch einzelne Unionspolitiker rückten am Donnerstag von Seehofers Position ab, die Aufnahme von einer Einigung in der EU über die Flüchtlingsverteilung abhängig zu machen. Der Koalitionspartner SPD unterstellte dem Innenminister eine Blockadehaltung. Verbände und Kirchen forderten eine humanitäre Geste – notfalls im Alleingang ohne EU-Einigung.

Seehofers Parteifreund, Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU), plädierte für die Aufnahme von 2000 Flüchtlingen aus Moria in Deutschland. Innerhalb der EU müsse Deutschland in einer „Koalition der Willigen“ vorangehen, sagte Müller im ARD-Fernsehen. Der menschenrechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Brand, schlug im SWR vor, dass Deutschland notfalls im Alleingang 5000 Flüchtlinge aufnehmen sollte.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) mahnte eine „bundeseinheitliche Initiative und Regelung“ zur raschen Aufnahme der Flüchtlinge an. Sein Land würde dann einen „Beitrag zur humanitären Hilfe leisten“, sagte er den Funke-Zeitungen.

Von Seehofer gab es zunächst aber kein Zeichen des Einlenkens. Der Innenminister will bei der Flüchtlingsaufnahme auch andere EU-Länder in die Pflicht nehmen – eine Einigung in diesem hoch umstrittenen Bereich zählt zu seinen Hauptzielen in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft.

Beim Koalitionspartner SPD stößt Seehofer damit aber auf Unverständnis. „Wir können nicht warten, bis sich alle europäischen Partnerländer geeinigt haben – das wird Wochen und Monate dauern“, sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) den Sendern RTL und n-tv. Giffey bat Seehofer, aufnahmebereiten Kommunen und Ländern die Genehmigung dafür zu erteilen. Ohne Zustimmung des Bundes dürfen sie keine Flüchtlinge aufnehmen. 

Angebote zur Aufnahme liegen etwa aus Thüringen und aus Berlin vor, auch die unionsgeführten Regierungen in Nordrhein-Westfalen und Bayern signalisieren Aufnahmebereitschaft. 

„Sollte die Bundesregierung entscheiden, Menschen aufzunehmen, wird sich Bayern selbstverständlich daran beteiligen“, twitterte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte im Bayerischen Rundfunk: „Es gibt ein länderübergreifendes Signal: Wir müssen jetzt handeln.“

Auch Politiker der Grünen und der Linken forderten eine rasche Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland. Zuspruch erhielt Seehofer hingegen von der AfD: Fraktionschef Alexander Gauland sagte ihm „unsere volle Unterstützung“ zu, „solange er nicht auch hier wieder einknickt“. 

AfD-Chef Tino Chrupalla gab den Bewohnern von Moria die Schuld an dem Feuer – „Brandstifter“ dürften nicht nach Deutschland evakuiert werden. Den Verdacht der Brandstiftung hatten griechische Behörden allerdings zunächst nicht bestätigt.

Linken-Chefin Katja Kipping warf Seehofer eine Anbiederung an die Rechten vor: „Seehofer kuscht doch nur vor den Ultrarechten in den eigenen Reihen und in der AfD.“

Vertreter von Flüchtlingsverbänden und Kirchen appellierten an Seehofer, eine Aufnahme nicht zu behindern. Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt kritisierte als „Ablenkungsmanöver“, dass Seehofer die Aufnahme von einer europäischen Einigung zur Flüchtlingsverteilung abhängig mache. „Wer hier von einer europäischen Lösung fabuliert, spielt auf Zeit und sucht ein Alibi für das Nichthandeln.“ 

Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, rief dazu auf, nicht auf eine EU-Einigung zur Flüchtlingsverteilung zu warten. Eine solche Einigung wäre zwar wünschenswert – aber „wenn das nicht möglich ist, muss Deutschland mit den Ländern, die dazu bereit sind, vorangehen“, sagte Bedford-Strohm der „Passauer Neue Presse“ vom Donnerstag.

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