Wie in einem Brennglas konzentrierten sich im niedersächsischen Gorleben über Jahrzehnte hinweg die Konflikte um die deutsche Atom- und Energiepolitik. Was aber befindet sich dort? Und was könnte aus Gorleben werden, nachdem der Standort von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) doch aus der Suche ausgeschlossen wurde?
WAS WAR IN GORLEBEN ANFANGS GEPLANT?
Gorleben ist eine kleine Gemeinde im Wendland im nordwestlichen Niedersachsen. Ende der 1970er Jahre schlug die niedersächsische Landesregierung vor, in dem ländlichen Gebiet an der damaligen Grenze zur DDR ein Nukleares Entsorgungszentrum (NEZ) zu bauen.
Ein Endlager in einem unter Gorleben verlaufenden unterirdischen Salzstock war dabei ursprünglich lediglich ein Teil des geplanten NEZ-Komplexes. Bestehen sollte dieser auch aus einer Anlage zur Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente, einer Fabrik zur Herstellung neuen Kernbrennstoffs und temporären Zwischenlagern.
Angesichts der massiven Proteste verschwanden die Pläne für den Bau eines großangelegten NEZ nach kurzer Zeit in der Schublade. Lediglich an der Idee, dort ein Endlager für den hochradioaktiven Atommüll zu errichten, hielten Landes- und Bundesregierungen fest.
WAS WURDE IN GORLEBEN GEBAUT?
1986 starteten die Arbeiten zum Bau eines Erkundungsbergwerks, um den dortigen Salzstock prüfen zu können. Buchstäblich auf der grünen Wiese trieb die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern (DBE) zwei Schächte bis in 800 bis 900 Meter Tiefe.
Die von den deutschen Energiekonzernen getragene DBE baute zudem eine Verbindungsstrecke zwischen den beiden 400 Meter voneinander entfernten Schächten, um den Salzstock zu analysieren. Für diese Aufgabe waren Fachleute der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zuständig. Atommüll wurde niemals eingelagert.
Einige hundert Meter von dem Erkundungsbergwerk entfernt entstand auf einem separaten Gelände außerdem Anfang der 1980er Jahre ein so genanntes zentrales Zwischenlager. Diese Anlage nahm seit 1995 Castor-Behälter mit hochradioaktiven Atommüll auf. Unter anderem dieses Lager schürte den Verdacht von Atomkraftgegnern, dass der Ausbau Gorlebens zum Endlager faktisch beschlossen sein könnte.
Das Zwischenlager wurde ursprünglich ebenfalls von einer Firma im Besitz der deutschen Energiekonzerne betrieben, der Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ). Es verfügt über 420 Stellplätze für Castoren, von denen 113 belegt sind. Dazu kommen weitere Lager für schwächerradioaktiven Müll sowie technische Einrichtungen.
WIE IST DER AKTUELLE STAND?
Schon vor der Entscheidung, Gorleben doch aus der Endlagersuche herauszunehmen, befand sich der umstrittene Standort in einer Art „Winterschlaf“. Seit der Verabschiedung des Endlagersuchgesetzes 2013 ruhen sämtliche Erkundungsarbeiten. Nach den Angaben der Bundesanstalt für Endlagerung (BGE), die inzwischen für Gorleben zuständig ist, wurden danach alle nicht mehr benötigten Geräte aus dem Bergwerk entfernt. Oberirdisch wurden Gebäude abgerissen.
Das Zwischenlager ist weiterhin normal in Betrieb, nimmt jedoch bereits seit 2011 keine neuen Atommülltransporte mehr auf. Schon 2002 wurde beschlossen, abgebrannte Brennelemente aus deutschen Atomkraftwerken künftig dezentral unmittelbar an den Reaktoren zwischenzulagern. Die Wiederaufarbeitung von Brennelementen im Ausland lief 2005 aus, inzwischen gibt es keine Transporte mehr.
WIE IST DIE BILANZ – UND WAS KÖNNTE AUS GORLEBEN WERDEN?
Vor einigen Jahren bezifferte die deutsche Energiewirtschaft die Kosten allein für die Erkundung des Salzstocks Gorleben auf rund 1,7 Milliarden Euro. 90 Prozent davon habe die Branche getragen, hieß es damals. Für Castor-Transporte wurden im Laufe der Jahre darüber hinaus noch mehrere hundert Millionen Euro ausgegeben.
Wie es mit Gorleben weitergeht, ist derzeit noch unklar. Für das Bergwerk gibt es eigentlich keine Verwendung mehr. Nach Angaben der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg gilt für diesen Fall eine Zusicherung, es wieder mit Salz zu verfüllen. Das Zwischenlager Gorleben bleibt vorerst in Betrieb. Die Genehmigung läuft erst 2034 ab. Was danach mit dem hochgefährlichen Material passiert, wenn bis dahin kein Endlager bereitsteht, ist bislang noch offen.