Die EU auf dem Weg zurück in den Video-Modus

Angela Merkel - Bild: Bundesregierung/Denzel
Angela Merkel - Bild: Bundesregierung/Denzel

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Finnlands Regierungschefin Sanna Marin mussten den EU-Gipfel wegen Kontakts zu Corona-Infizierten vorzeitig verlassen. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell konnten deshalb gar nicht erst teilnehmen. Das Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel hat die wachsenden Probleme mit persönlichen Treffen während der Pandemie offenbart. Ist die EU auf dem Weg zurück in den Video-Modus?

Trotz Maskenpflicht, verkleinerten Delegationen und Sicherheitsabständen im Sitzungssaal gab es schon vor Gipfelbeginn Kritik daran, dass die Staats- und Regierungschefs in Zeiten rasant steigender Infektionszahlen nach Brüssel reisen mussten – in eine Stadt, die schon seit Wochen von den meisten EU-Regierungen als Hochrisikozone eingestuft wird.

„Dieses Treffen hätte per Videokonferenz organisiert werden sollen“, sagte Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen bei ihrer Ankunft am Brüsseler Flughafen. Wegen der aktuellen Corona-Lage sei es nicht „weise“, sich persönlich zu treffen. 

EU-Ratspräsident Charles Michel musste mehrfach seine Entscheidung als Gipfel-Organisator verteidigen, das Treffen vor Ort im Brüsseler Ratsgebäude abzuhalten. Die EU habe schon zwischen März und Juli ausschließlich im Video-Modus gearbeitet, sagte der frühere belgische Ministerpräsident. „Aber wir haben festgestellt, dass die Video-Konferenzen auch gewisse Grenzen haben.“ 

Es gebe Diskussionen, „für die mehr Vertraulichkeit nötig“ sei, um Kompromisse zu finden, sagte Michel. Dies sei etwa bei den Brexit-Beratungen am Donnerstag der Fall gewesen. Der Ratspräsident verwies auch auf den Marathon-Gipfel im Juli. Bei ihm hatten die Staats- und Regierungschefs vier Tage und vier Nächte gebraucht, um ein 1,8 Billionen Euro schweres Finanzpaket aus EU-Haushalt und Corona-Hilfsfonds zu schnüren. Für Michel wäre eine Einigung ohne persönliche Anwesenheit nicht möglich gewesen.

Die Staats- und Regierungschefs sind in der Frage, wie es nun weitergeht, gespalten. Am Freitag habe es „eine kurze Diskussion“ gegeben, sagte Michel. Mehrere Gipfel-Teilnehmer hätten die Notwendigkeit betont, „bei physischen Zusammenkünften vorsichtig zu sein“. Viele Staats- und Regierungschefs hätten aber „auch zum Ausdruck gebracht, wie wichtig die Aufrechterhaltung physischer Treffen ist“.

Das EU-Parlament sagte diese Woche wegen der Corona-Pandemie ein weiteres Mal eine in Straßburg geplante Plenarsitzung ab – trotz massiven Drucks des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, Straßburg nicht schon wieder ausfallen zu lassen. „Die Situation in Frankreich und Belgien ist sehr ernst“, erklärte Parlamentschef David Sassoli. „Reisen ist eine Gefahr.“

Anders als die beiden vorherigen Sitzungen soll die Tagung nächste Woche aber nicht in Brüssel, sondern vor allem online abgehalten werden. Abstimmungen werden per Internet organisiert. Abgeordnete können für Redebeiträge per Video-Konferenz aus den Verbindungsbüros des Parlaments in den Mitgliedstaaten zugeschaltet werden.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zog ihrerseits nach dem Brüsseler Gipfeltreffen Konsequenzen. Sie müsse „leider“ den für den 16. November geplanten Sondergipfel in Berlin zu den Beziehungen zu China absagen, sagte die Kanzlerin. Sie verwies dabei auf mögliche Infektionsgefahren für die Teilnehmer. Deshalb sei die Absage „eine notwendige Botschaft“.

Gipfel-Organisator Michel will seinerseits weiter auf Sicht fahren. In den kommenden Wochen werde „von Fall zu Fall, von Thema zu Thema“ entschieden, ob persönliche Treffen nötig seien, sagte er. Nächste Etappe ist der Gipfel im Dezember.

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