Angesichts der weiter steigenden Corona-Zahlen haben Ministerpräsidenten der Länder schärfere Sanktionen und mehr Disziplin der Bevölkerung angemahnt. Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) plädierte in der „Bild am Sonntag“ für ein bundesweit einheitliches Bußgeld von 250 Euro für Maskenverweigerer. Sein baden-württembergischer Kollege Winfried Kretschmann (Grüne) forderte die Menschen auf, nicht mehr alles zu machen, „was sie noch dürfen“. Mit Stuttgart und Essen wurden zwei weitere Großstädte zu Risikogebieten.
Es sei Zeit für konsequentes Handeln, sagte CSU-Chef Söder der „Bild am Sonntag“. „Wenn wir zu lange zögern, besteht die Gefahr eines zweiten Lockdown.“ Söder nannte Sperrstunden und das Verbot größerer Partys und Feiern für eine gewisse Zeit.
Kretschmann rief die Menschen zum Party-Verzicht auf. „Ich kann ja verstehen, dass die Jungen gern feiern würden“, sagte er der „BamS“. „Doch sie müssen jetzt solidarisch mit den Alten sein, so wie die Alten beim Kampf gegen den Klimawandel solidarisch mit den Jungen sein müssen.“
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte der „Welt am Sonntag“: „Wir wollen unser gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben weitgehend erhalten. Aber wir müssen uns auch gegenseitig schützen.“
Demgegenüber wandte sich der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, gegen „Alarmismus“. „Wir sollten jetzt nicht Sanktionen in den Vordergrund stellen, sondern die eigentlichen Ursachen der Hotspots bekämpfen“, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Der Grenzwert von 50 Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen wurde am Wochenende auch in Stuttgart und Essen überschritten. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag in Essen bei 57,3, wie das Landeszentrum Gesundheit in Nordrhein-Westfalen am Sonntag mitteilte. Am Samstagabend hatte Stuttgart den Wert von 50,5 erreicht.
Auch Köln überschritt am Samstag die Schwelle; zuvor war dies bereits etwa in Berlin, Bremen und Frankfurt am Main der Fall. Bundesweit stieg die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Menschen am Sonntag um 3483 an, wie das Robert-Koch-Institut mitteilte.
Es gab aber auch Kritik am Vorgehen der Länder. Der Vorstandsvorsitzende der Kassen ärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom Samstag, die „Regelungswut ist oft eher kontraproduktiv“. Die Reisebeschränkungen seien überflüssig und nicht umsetzbar, sagte Gassen. Das Problem liege vielmehr bei Großhochzeiten, in Fleischbetrieben oder bei „unkontrolliertem Feiern“.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) kritisierte das Beherbergungsverbot für Menschen aus Risikogebieten als unverhältnismäßig. „Ich bin mir sicher, diese Grundrechtseinschränkung wird nicht lange aufrechterhalten werden“, sagte er der „Bild“-Zeitung (Montagsausgabe).
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) rechtfertigte das Beherbergungsverbot. Fast alle anderen Länder hätten sich für diese Maßnahme entschieden, sagte er den Funke-Zeitungen. Vor diesem Hintergrund haben eine „besondere Anziehungskraft von Niedersachsen auf Menschen aus besonders belasteten Gebieten“ vermieden werden müssen.
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, wandte sich gegen die Warnung des Robert-Koch-Instituts, die Corona-Pandemie könne außer Kontrolle geraten. „Wir müssen aufhören, auf die Zahl der Neuinfektionen zu starren wie das Kaninchen auf die Schlange.“ Selbst 10.000 Infektionen täglich wären kein Drama, wenn wie derzeit nur einer von 1000 schwer erkrankt.