Auch wenn Thomas Oppermann als Vizepräsident des Bundestags zuletzt nicht mehr so im Rampenlicht stand – er war einer der Großen in der deutschen Sozialdemokratie des zurückliegenden Jahrzehnts. Im Alter von 66 Jahren starb er, nachdem er völlig überraschend am Sonntagabend unmittelbar vor einer geplanten Live-Schalte des ZDF zusammengebrochen war.
Über alle Parteigrenzen hinweg waren die Reaktionen bestürzt und schockiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte den Verstorbenen als stets „verlässlichen und fairen Partner“, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte ihn einen „großartigen Menschen und überzeugten Demokraten“.
Bis zur Bundestagswahl im Herbst 2017 koordinierte Oppermann als Fraktionschef die Parlamentsarbeit der SPD im Bundestag. Gerade in Zeiten, in denen große Teile seiner Partei unzufrieden mit den in der großen Koalition notwendigen Kompromissen waren, gelang es ihm, die Fraktion zusammenzuhalten. Selbst dem Seeheimer Kreis der SPD-Rechten zugehörig, war ihm dabei auch die Einbindung des linken Parteiflügels ein Anliegen.
Nach der Wahl musste Oppermann – nicht ganz freiwillig – die Fraktionsspitze zugunsten von Andrea Nahles räumen. Auch sein Einzug ins Parlamentspräsidium war kein Selbstläufer. Erst der Rückzug der vorherigen Vizepräsidentin Ulla Schmidt und der Verzicht der heutigen Justizministerin Christine Lambrecht machten den Weg für ihn frei.
Inhaltlich war der Schwerpunkt Oppermanns die Innen- und Rechtspolitik. In den flüchtlingspolitisch schwierigen Jahren 2015 und 2016 bemühte er sich um einen Ausgleich zwischen Humanität und Rücksichtnahme auf die wachsenden Vorbehalte eines Teils der Bevölkerung gegen den starken Zuzug von Geflüchteten. Vorwürfe gegen den Fraktionschef gab es wegen möglicher Indiskretionen 2015 in der Affäre um den Abgeordneten Sebastian Edathy, gegen den wegen Kinderpornografie ermittelt wurde.
Vor der Wahl 2017 musste Oppermann hinnehmen, dass Kanzlerkandidat Martin Schulz statt ihm den Landespolitiker Boris Pistorius für den Ressortbereich Inneres in sein Schattenkabinett berief. 2009 und 2013 war Oppermann dafür zuständig gewesen. Dem Bundestag gehörte er seit 2005 an. Vor seiner Wahl zum Fraktionschef 2013 war er seit 2007 Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Nur der Einzug ins Bundeskabinett blieb ihm verwehrt, obwohl er immer wieder dafür ins Gespräch gebracht worden war.
Eine wichtige Rolle hatte Oppermann auch bei der Kontrolle der Geheimdienste als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG). Kritik gab es an seiner Zurückhaltung mit Blick auf eine Vernehmung des US-Whistleblowers Edward Snowden in Deutschland. Vor seinem Einzug in den Bundestag war er in unterschiedlichen Positionen in der niedersächsischen Landespolitik tätig, unter anderem als Wissenschaftsminister im Kabinett des damaligen Ministerpräsidenten und späteren Kanzlers Gerhard Schröder sowie von dessen Nachfolgern Gerhard Glogowski und Sigmar Gabriel.
Oppermann wurde am 27. April 1954 im münsterländischen Freckenhorst als Sohn eines Molkereimeisters geboren. Statt des Wehrdienstes engagierte er sich als freiwilliger Helfer für die Aktion Sühnezeichen in den USA, studierte dann Jura in Göttingen und wurde Richter am Verwaltungsgericht Hannover.
Der niedersächsischen Region Göttingen, wo er auch seinen Wahlkreis hatte, blieb der Sozialdemokrat stets verbunden. Entspannung suchte und fand der sportlich aktive Oppermann in Wanderungen, unter anderem in dem von ihm geliebten Harz. Der Politiker hatte zwei Töchter aus seiner früheren Ehe sowie eine Tochter und einen Sohn mit seiner späteren Partnerin.