Das EU-Parlament hat sich besorgt über die Lage der Rechtsstaatlichkeit in Bulgarien gezeigt. Bei der Achtung demokratischer Grundsätze habe es in dem EU-Land „erhebliche Verschlechterungen“ gegeben, heißt es in einer Entschließung, die am Donnerstag in Brüssel mit 358 zu 277 Stimmen und 56 Enthaltungen angenommen wurde. Die Abgeordneten sehen demnach etwa die Unabhängigkeit der Justiz und die Pressefreiheit in Bulgarien in Gefahr.
Das Parlament forderte unabhängige Untersuchungen zu Berichten über massive Misstände. Dabei geht es laut der Entschließung um den Missbrauch von EU-Geldern, Korruption bis in höchste Regierungskreise, Verflechtungen zwischen Staat und Mafia sowie Polizeigewalt gegen Demonstranten. Auch gegen Hassrede und teilweise Gewalt gegen Journalisten, Frauen und sexuelle und ethnische Minderheiten müsse in Bulgarien entschiedener vorgegangen werden.
In dem Land gibt es seit Monaten regelmäßig Massenproteste gegen die Regierung von Ministerpräsident Boris Borissow. Die Demonstranten werfen ihm Korruption und Nähe zu Oligarchen vor. Immer wieder kam es dabei zu schweren Zusammenstößen mit zahlreichen Verletzten und Festnahmen. Einen Rücktritt vor dem regulären Ende seiner Amtszeit im März lehnt der konservative Regierungschef ab.
Sozialdemokratische, liberale, linke und grüne EU-Abgeordnete solidarisierten sich mit den Demonstrierenden in Bulgarien. „Das Europäische Parlament unterstützt ihre Forderungen nach Transparenz, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit“, erklärte die SPD-Abgeordnete Katarina Barley. „Wir stehen auf der Seite der Demonstrierenden auf den Straßen Bulgariens“, erklärte die Ko-Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Ska Keller.
Der Fraktionschef der konservativen EVP, Manfred Weber (CSU), nahm Bulgariens Regierungschef Borissow bei der Parlamentsdebatte zu der Entschließung hingegen ausdrücklich in Schutz. „Die jetzige Regierung hat eine Mehrheit im Parlament“, es gebe „überhaupt keinen Grund, jetzt zurückzutreten“. Bei der Rechtsstaatlichkeit habe Bulgarien zudem seit seinem EU-Beitritt „manche Fortschritte erzielt“. Borissow regiert seit knapp zehn Jahren fast ununterbrochen.
Mit einer ganzen Reihe von Änderungsanträgen hatte die EVP-Fraktion, der auch Borissows Parteikollegen im EU-Parlament angehören, versucht, die Kritik in der Parlamentsentschließung deutlich zu entschärfen. Die Anträge fanden aber überwiegend keine Mehrheit. Ein Großteil der Konservativen stimmte schließlich gegen den Text.
Auch im ersten Bericht der EU-Kommission zur Rechtsstaatlichkeit in allen EU-Ländern vergangene Woche war neben Polen und Ungarn, die deswegen seit Jahren in Brüssel am Pranger stehen, die Bewertung Bulgariens ebenfalls höchst negativ ausgefallen. Brüssel kritisierte insbesondere die Lage der Justiz, mangelnde Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und Drohungen gegen unabhängige Medien.