Angesichts eines neuen Rekords an Neuinfektionen in Frankreich hat der Chef der öffentlichen Pariser Krankenhäuser vor einer zweiten Corona-Welle gewarnt, die schlimmer werden könnte als die erste im Frühjahr. Viele seien seit einigen Monaten der Ansicht, es gebe keine echte zweite Welle – doch sei eher das Gegenteil der Fall, mahnte Martin Hirsch am Freitag im Rundfunksender RTL. Am Donnerstag hatten die Behörden über 41.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden gemeldet, das waren rund 15.000 mehr als am Vortag.
Seit Mittwoch wurden demnach 165 neue Todesfälle in Krankenhäusern registriert. Fast eine Million Menschen (999.043) haben sich nach Angaben der Behörden bislang mit dem neuartigen Erreger infiziert. Mit mindestens 34.210 Corona-Todesfällen ist Frankreich nach absoluten Zahlen eines der am stärksten von der Pandemie betroffenen Länder Europas.
Premierminister Jean Castex wies darauf hin, dass die Krankenhäuser noch weiter unter Druck geraten könnten und sagte einen „schwierigen November“ vorher. Die Neuinfizierten seien die „im Krankenhaus liegenden Kranken von morgen“, warnte Castex am Donnerstag auf Twitter.
Bereits vor den alarmierenden Zahlen vom Donnerstagabend hatte die Regierung im Kampf gegen das Virus die in Paris und acht weiteren Städten geltende nächtliche Ausgangssperre auf große Teile des Landes ausgeweitet. In insgesamt 54 Départements und dem Überseegebiet Polynesien dürfen die Menschen künftig ihre Häuser und Wohnungen zwischen 21.00 Uhr und 06.00 Uhr nicht mehr verlassen.
Von der Beschränkung, die am Freitag um Mitternacht in Kraft tritt, sind insgesamt 46 Millionen Menschen betroffen und damit zwei Drittel aller Franzosen. Um die wirtschaftlichen Folgen abzufedern, sagte Finanzminister Bruno Le Maire den betroffenen Départements finanzielle Unterstützung in Höhe von „etwas mehr als zwei Milliarden Euro“ zu.
Für den Fall, dass alle bereits getroffenen Maßnahmen nicht greifen, warnte Premierminister Castex vor „noch härteren“ Beschränkungen. „Alles ist auf dem Tisch“, sagte auch der Epidemiologe Arnaud Fontanet vom Wissenschaftsrat, einem Beratergremium der französischen Regierung. Das Coronavirus mache „viel schneller die Runde als im Frühling“, obwohl es sich um „genau dasselbe“ Virus handle, sagte Fontanet am Freitag im Sender BFM TV.
Noch hoffe er, dass sich eine landesweite Ausgangssperre wie während der ersten Welle vermeiden lasse, „weil wir alles tun, um das zu vermeiden“, fuhr Fontanet fort. Örtlich begrenzte Ausgangssperren aber seien „ein Teil der Optionen“.
Um Notmaßnahmen in besonders betroffenen Hotspots über einen Monat hinaus ausdehnen oder landesweit verhängen zu können, will die Regierung den landesweiten Gesundheitsnotstand bis einschließlich 16. Februar des kommenden Jahres verlängern.
Dafür benötigt sie jedoch die Zustimmung des Parlaments. Die Nationalversammlung soll bei Sondersitzungen am Samstag und Sonntag über den von der Regierung verabschiedeten Gesetzesentwurf beraten.