Wisconsin: Milchbauern als Präsidentenmacher

Symbolbild: Wahlen in den USA
Symbolbild: Wahlen in den USA

Grüne Hügel, die Höfe kleiner Milchbauern und kreisende Adler bestimmen das Bild im Westen des US-Bundesstaates Wisconsin. Und seit einiger Zeit auch Wahlplakate. Während der eine Landwirt für den Demokraten Joe Biden wirbt, gibt sich sein Nachbar als Anhänger des republikanischen Amtsinhabers Donald Trump zu erkennen. Wisconsin im Mittleren Westen der USA gilt als einer der Schlüsselstaaten bei der Präsidentschaftswahl am 3. November – und ist deswegen besonders umkämpft.

Die Demokraten wollen nicht den Fehler von Hillary Clinton im Wahlkampf 2016 wiederholen. Die damalige Präsidentschaftskandidatin hatte den Bundesstaat kein einziges Mal besucht, so sicher war sie sich, dass er wie bei allen Präsidentschaftswahlen seit drei Jahrzehnten wieder an ihre Partei gehen würde.

Trump gewann Wisconsin letztlich mit nur rund 22.700 Stimmen Vorsprung – es war eine der Säulen seines überraschenden Wahlsiegs gegen die Favoritin Clinton.

Der Republikaner ist im diesjährigen Wahlkampf schon mehrfach nach Wisconsin gereist, ebenso wie sein Herausforderer Biden, obwohl der wegen der Corona-Pandemie extrem vorsichtig ist. Die Demokraten hielten sogar im August ihren – letztlich wegen Corona weitestgehend virtuell ausgetragenen – Nominierungsparteitag in Milwaukee in Wisconsin ab.

„Letztes Mal fühlten wir uns von den Demokraten ignoriert“, erzählt Rikardo Jahnke, während er Äpfel im Städtchen Viroqua verkauft, einem Zufluchtsort für Künstler umgeben von Trump-treuen Landwirten. „Es sieht so aus, als würden sie uns diesmal mehr Aufmerksamkeit schenken“, fügte er unter seiner Maske mit der Aufschrift „vote“ – „wähle“ – hinzu.

Der Westen Wisconsins und die angrenzenden Teile von Minnesota gehören zu den wenigen ländlichen Gebieten der USA, in denen immer noch viele Menschen demokratisch wählen. Ein Phänomen, das manche auf die skandinavischen Wurzeln der Bewohner zurückführen.

Darin Von Ruden kennt die Namen aller seiner 50 Kühe auf der Weide. Seit Trumps Amtsantritt hätten 2290 Milchviehbetriebe in Wisconsin schließen müssen, sagt der Biobauer und Vorsitzende des Bauernverbandes in dem Bundesstaat. Grund dafür seien die wachsende Macht der großen Agrarunternehmen und die Überproduktion. „Wollen wir wirklich, dass bald nur noch ein oder zwei Unternehmen unsere Lebensmittelproduktion kontrollieren?“, fragt Von Ruden.

Für Landwirte, die Trumps Kampagne gegen Einwanderer unterstützen, hat er kein Verständnis: Mehr als die Hälfte der Helfer bei der Milchproduktion seien Einwanderer, oft Mittelamerikaner ohne Papiere, sagte Von Ruden. „Warum sollte man für jemanden stimmen, der all deine Arbeiter rausschmeißen will?“

Milchwirt John Schaller hat zehnmal so viele Kühe wie der Biobauer und fürchtet sich vor einem demokratischen Amtschef im Weißen Haus. „Sie wollen uns mehr Sozialismus aufdrängen, statt dass die Menschen selbst für ihre Angelegenheiten verantwortlich sind“, sagt Schaller, der kürzlich Vizepräsident Mike Pence auf seiner Farm empfangen hat. „Das ist nicht das, was unser Land großartig gemacht hat.“ Amerika wieder „großartig“ zu machen, war Trumps zentrales Wahlversprechen 2016.

„Die Wähler in den ländlichen Gebieten von Wisconsin hatten das Gefühl, dass die großen Parteien sie vergessen haben“, sagt Joseph Heim, der bis vor Kurzem Politik an der Universität von Wisconsin in La Crosse lehrte. Dann kam 2016 Trump. „Der hatte eine Botschaft für die Leute vom Lande: Ich höre euch zu, ich vertrete euch“, sagt der Politikwissenschaftler. „Um die Themen selbst ging es da gar nicht so sehr.“

Ob diese Strategie am 3. November wieder aufgehen wird, ist höchst ungewiss. Biden liegt im Umfrageschnitt in Wisconsin rund fünf Punkte vor Trump. Doch ein sicheres Polster ist das für den Demokraten nicht. In wenigen Wochen werden die Milchbauern in Wisconsin deswegen wieder im Fokus internationaler Aufmerksamkeit stehen.

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