Experten des Deutschen Ethikrats, der Ständigen Impfkommission und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina haben eine bevorzugte Corona-Schutzimpfung von gesundheitlich oder beruflich besonders stark gefährdeten Menschen empfohlen. Entsprechende Regeln sollten außerdem gesetzlich klar fixiert werden, betonten sie in einem am Montag in Berlin veröffentlichten gemeinsamen Positionspapier zur Verteilung von Impfdosen in der ersten Phase nach der Zulassung erster Wirkstoffe.
In dem Positionspapier werden Ansätze für eine Priorisierung für die Zeit beschrieben, in der noch nicht genug Impfdosen für alle Menschen bereit stehen, die sich impfen lassen wollen. Dadurch würden „ethisch wie rechtlich elementare Fragen“ berührt, betonte die Ethikratsvorsitzende Alena Buyx. Der Impfkommissionsvorsitzende Thomas Mertens sagte, die Impfdosen müssten in dieser ersten Zwischenphase so eingesetzt werden, dass der „größte Nutzen“ für die Gesellschaft insgesamt dabei entstehe.
Laut Positionspapier sollen die mutmaßlich knappen Impfdosen anfangs auf vier verschiedenen Gruppen konzentriert werden. Dabei handelt es sich um Menschen, die etwa wegen ihres Alters und wegen Vorerkrankungen ein stark erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe haben. Das treffe in hohem Maße auf Bewohner von Alten- und Pflegeheimen zu, sagte Buyx. Dazu kommen Menschen etwa aus dem Gesundheitsbereich, die aus beruflichen Gründen einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind.
Außerdem sollen bevorzugt Menschen geimpft werden, die in staatlich und gesellschaftlich wichtigen Bereichen arbeiten. Als Beispiele nannte Buyx Polizisten, Rettungskräfte, Mitarbeiter von Gesundheitsämtern, Lehrer und Erzieher. Ebenfalls berücksichtigt werden sollen demnach Menschen, die in Einrichtungen leben, in denen sich das Virus besonders leicht verbreiten und dabei auch viele gefährdete Menschen treffen kann.
Ein genaueres Raster wollen die Experten nach eigenen Angaben erst in den kommenden Wochen bis zum Jahresende entwickeln. Dann wollen sie auch genauer aufschlüsseln, wer aus diesen Gruppen mit welcher Priorität geimpft werden sollte. Gegenwärtig fehlten dafür noch Daten, sagte Mertens. Auch seien viele Einzelheiten noch unklar, solange nicht feststehe, welche Eigenschaften ein Impfstoff genau habe und wie die Logistik zur Verteilung innerhalb der Bevölkerung organisiert werde.
Die Experten gingen dabei nach eigenen Angaben aber davon aus, dass die Impfungen in den genannten Gruppen oder Teilen dieser Gruppen parallel beginnen würden. Eine Impfpflicht lehnten sie klar ab. Allenfalls beim Vorliegen schwerwiegender Gründe lasse sich für eine klar definierte Gruppe von Menschen eine Impfpflicht rechtfertigen, hieß es. Das gelte etwa für Mitarbeiter mit ständigem Kontakt zu Hochrisikopatienten.
Impfkampagnen setzten prinzipiell eine „aufgeklärte, freiwillige Zustimmung“ voraus, erklärten die Wissenschaftsorganisationen. Alle Stellen müssten entsprechend klar und verständlich kommunizieren, wobei auch an eine leicht verständliche Sprache gedacht werden müsse. Auch gesetzlich müsse eine Priorisierung eindeutig geregelt werden. Eine vergleichbare Situation, in der zumindest für eine gewisse Zeit nicht genug Impfstoff bereit stehe, habe es in Deutschland noch nicht gegeben.