Der Start des ersten Castortransports durch Deutschland seit neun Jahren steht kurz bevor. Ein Frachter mit sechs Behältern voller Atommüll aus der Wiederaufarbeitung deutscher Reaktorbrennelemente erreichte nach Angaben der Polizei am Montagmorgen den niedersächsischen Hafen Nordenham an der Wesermündung. Die Castoren sollen von dort per Bahn weiter in ein Zwischenlager am hessischen Atomkraftwerk Biblis gebracht werden, entlang der Strecke wollen Atomkraftgegner protestieren.
Nach Ankunft des Schiffs begann nach Angaben der Einsatzleitung der niedersächsischen Polizei in Oldenburg die Entladung der Castoren. Mit einem Start des Schienentransports bereits am Montag war demnach aber nicht zu rechnen. Die Arbeiten würden „planmäßig heute nicht abgeschlossen“, teilten die Beamten mit. Nach Angaben von Atomkraftgegnern waren bis zum Nachmittag erst zwei Castoren von dem Frachter auf Eisenbahnwaggons verladen.
Atomkraftgegner hatten die Ankunft des Schiffs mit den Castoren ursprünglich bereits am Wochenende erwartet und waren deshalb davon ausgegangen, dass die Weiterfahrt zwischen Sonntag und Dienstag erfolgen könnte. Mögliche Strecken führen demnach über Bremen oder Münster sowie Köln oder Frankfurt am Main bis zum Atomkraftwerk Biblis in Südhessen südwestlich von Darmstadt.
Das Aktionsbündnis Castor stoppen, in dem verschiedene Initiativen zusammengeschlossen sind, kritisierte am Montag den Transport während des neuen teilweisen Lockdowns wegen der Corona-Pandemie. „Diese inszenierte Atommüllverschiebung und ist doch nur eines: Ausdruck absoluter Ratlosigkeit bezüglich der sich auftürmenden nuklearen Hinterlassenschaften“, erklärte Sprecherin Kerstin Rudek. Das Bündnis forderte die Stilllegung aller Atomanlagen. Es gebe keine Konzepte für deren Atommüll.
Das Bündnis plant Mahnwachen und andere Proteste entlang der Castorstrecke, dabei sollten Abstands- und andere Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen beachtet werden. Eine Gruppe namens Bloc Castor kündigte dem Bündnis zufolge allerdings separat an, den Transportzug im Raum Bremen und Oldenburg blockieren zu wollen.
Bereits am Wochenende hatte es laut Polizei Mahnwachen in Nordenham sowie Protestaktionen in anderen Städten gegeben. In Bremen kletterten vier Aktivisten auf das Dach des Hauptbahnhofs und entrollten ein Banner. Alle Versammlungen verliefen demnach friedlich, auch die Corona-Hygieneauflagen wurden eingehalten.
Der Müll in den Castoren stammt aus der Wiederaufarbeitung von Brennelementen in der Wiederaufarbeitungsanlage im britischen Sellafield, die Bundesrepublik ist vertraglich zur Rücknahme verpflichtet. Es handelt sich um den ersten Castortransport in Deutschland seit neun Jahren. Laut Atomkraftgegnern sind bis zum Jahr 2024 noch vier weitere Castortransporte zu erwarten.
Ursprünglich sollte der Castortransport bereits im Frühjahr stattfinden, wurde aber wegen der Corona-Pandemie verschoben. Die niedersächsische Regierung setzte sich dafür ein, den Transport erneut zu vertagen. Auch Polizeigewerkschaften forderten dies. Die Bundesregierung hielt aber daran fest. Die niedersächsischen Grünen kritisierten diese Entscheidung am Montag erneut. Der Einsatz trotz erhöhten Corona-Risikos sei „unverantwortlich“, erklärte deren Atomexpertin Miriam Staudte.
Früher ging der Atommüll aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente in Großbritannien und Frankreich in ein zentrales Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben, was regelmäßig zu tagelangen und teilweise gewaltsamen Protesten führte. Nach dem letzten Transport nach Gorleben 2011 wurde die Praxis geändert und beschlossen, die restlichen Castoren aus dem Ausland auf Zwischenlager direkt an deutschen Atomkraftwerken zu verteilen.
Die Zwischenlager an den Kraftwerken wurden eingerichtet, um abgebrannte Brennelemente aus deren Reaktoren aufzunehmen. Die früher übliche Wiederaufarbeitung ist in Deutschland seit 2005 verboten. Seitdem werden daher keine Brennelemente mehr in die entsprechenden Fabriken in Großbritannien sowie in Frankreich geschickt. Die noch verbliebenen Castortransporte dienen der Rücknahme des Mülls aus den früheren Aufarbeitungsaufträgen.