Zahl überschuldeter Verbraucher geht trotz Corona-Beschränkungen weiter zurück

Symbolbild: Schulden
Symbolbild: Schulden

Trotz der Corona-Krise ist die Zahl der überschuldeten Verbraucher in Deutschland in diesem Jahr weiter zurückgegangen. Die staatlichen Hilfsmaßnahmen hätten die „schlimmsten sozialen Auswirkungen abgemildert“, erhöhte Sparneigung und Ausgabenvorsicht hätten einen „flächendeckenden Liquiditätsengpass“ bislang verhindert, teilte die Auskunftei Creditreform mit. Das sei aber vermutlich nur „die Ruhe vor dem Sturm“: Bereits jetzt deuteten sich finanzielle Überlastungen an, „die zeitlich versetzt zu einem Anstieg der Überschuldungsfälle führen werden“.

Creditreform erstellt jährlich den sogenannten Schuldneratlas. Demnach sind in diesem Jahr rund 6,85 Millionen Menschen überschuldet, das sind 69.000 weniger als im vergangenen Jahr, als die Zahl erstmals seit fünf Jahren gesunken war. Der Anteil der überschuldeten Verbraucher sank damit auf 9,87 Prozent.

„Der vermeintlich positive Befund ist allerdings kein Zeichen der Entspannung“, erklärte Creditreform. Die aktuelle Lage sei „besorgniserregend“: In der Corona-Krise hätten zwischenzeitlich 700.000 Menschen ihren Arbeitsplatz verloren, bis zu 7,3 Millionen Menschen „waren oder sind“ in Kurzarbeit und viele Menschen könnten ihrer selbstständigen oder teilberuflichen Tätigkeit nicht nachgehen. Geschätzt zwei Millionen Freiberufler und Soloselbstständige kämpften um die Existenz und stünden am Rande der Überschuldung. 

Dazu kommen laut Creditreform „bedenkliche Teilergebnisse“: Die Zahl der überschuldeten Verbraucher über 50 Jahre stieg „deutlich“ im Vorjahresvergleich auf 246.000 Fälle. Gestiegen sei auch die „weiche Überschuldung“ für den Konsum, die sich durch fast alle Altersgruppe ziehe – hier zählte Creditreform 119.000 Fälle.

Die „harte Verschuldung“ mit juristisch relevanten Sachverhalten dagegen nahm ab, auf 3,82 Millionen Verbraucher. Hier spiegele sich zeitversetzt der kontinuierliche Rückgang von Privatinsolvenzen und Langzeitarbeitslosigkeit, erläuterte Creditreform.

Doch die Corona-Krise hat diese Entwicklung ausgebremst. „Besorgniserregend“ sei vor allem, dass die Krise eine weitere Polarisierung von Einkommen und Vermögen bewirkt: Die oberen sozialen Schichten könnten Einkommensfälle kompensieren, sie sparen mehr und geben weniger aus. Die unteren sozialen Schichten dagegen haben keine oder nur sehr geringe finanzielle Reserven – sie verschulden sich, dann überschulden sie sich. 

Die Bürgerbewegung Finanzwende forderte, die Politik müsse „endlich eine überzeugende Antwort darauf geben, wie sie Überschuldung in den Griff bekommen will“. Es entstehe eine „gefährliche Schieflage, wenn in der Corona-Krise Milliarden in Unternehmensrettungen fließen, während Überschuldete vielfach allein zurückgelassen werden“, kritisierte der Verbraucherschutzexperte des Vereins, Julian Merzbacher.

Zudem müsse die Finanzbranche „gerade in dieser Krise ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden“, forderte Finanzwende – anstatt „mit überzogenen Inkassokosten, überhöhten Dispozinsen und einer unverantwortlichen Kreditvergabe immer wieder zur Überschuldung beizutragen“.

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