Außenseiter im Aufwind: Im CDU-Kandidatenrennen wächst die Unterstützung für Norbert Röttgen

Norbert Röttgen - Bild: Steffen Roth
Norbert Röttgen - Bild: Steffen Roth

Wenn zwei sich streiten – es ist bekannt, wie solche Geschichten oft ausgehen: Ein Dritter hat dann Grund zur Freude. Einer, der gerade ziemlich fröhlich in Berlin unterwegs ist, ist Norbert Röttgen. Wurde seine Kandidatur für den CDU-Parteivorsitz anfangs noch als Ego-Trip eines gescheiterten Ex-Ministers belächelt, macht Röttgen inzwischen den beiden anderen Vorsitz-Anwärtern Friedrich Merz und Armin Laschet ernsthaft Konkurrenz. In Umfragen hat er sich auf den zweiten Platz vorgearbeitet – hinter Merz, aber vor Laschet.

Am Freitagabend stellt sich Röttgen als erster der drei Kandidaten in einer Internet-Veranstaltung den Fragen der CDU-Basis. Natürlich sagt Röttgens Aufstieg auch etwas über die mangelnde Zugkraft seiner Mitbewerber aus. Sein Aufstieg spricht aber auch von Röttgens Geschick, die Außenseiter-Position zu seinem Vorteil zu nutzen. 

Aus dem innersten Kreis der CDU wurde der damalige Bundesumweltminister vor acht Jahren verbannt, als Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ihn brutal aus dem Kabinett warf. Röttgen wurde fast zum Pariah – das verleiht seiner Forderung nach einer Erneuerung der CDU nun eine gewisse Glaubwürdigkeit.

Röttgen will sich keinem CDU-Flügel zurechnen lassen – er steht irgendwo zwischen dem CDU-Liberalen Laschet und dem Konservativen Merz. In der Partei hat Röttgen keine Hausmacht und keine mächtigen Fürsprecher. Was ihm an Rückhalt in der CDU-Spitze fehlt, macht er durch Selbstbewusstsein und mediale Präsenz wett.

„Die Stimmung hat sich gedreht, es gibt Rückenwind für mich“, stellte Röttgen jüngst in der ARD fest. Dieser Rückenwind macht sich derzeit auch dadurch bemerkbar, dass sich inzwischen die ersten CDU-Bundestagsabgeordneten offen für Röttgen als neuen Parteichef aussprechen.

Röttgen könne die CDU „in ihrer ganzen Breite abbilden und hinter sich versammeln – vom Konservativen bis zum Liberalen“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Whittaker der Nachrichtenagentur AFP. Nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Merkel sieht Whittaker „einen großen Drang, nun neue Wege zu beschreiten“. Die CDU wolle zwar keinen Bruch mit der aktuellen Politik, aber einen „klaren Aufbruch – und diesen Aufbruch verkörpert Norbert Röttgen meiner Meinung nach am nachdrücklichsten“.

Der 35-jährige Whittaker zählt zu dem zumeist jungen Team, mit dem Röttgen als Parteichef die CDU modernisieren will. Eine herausgehobene Stellung soll darin die 38-jährige Landespolitikerin Ellen Demuth einnehmen, die Röttgen zur neuen Chefstrategin der Bundes-CDU machen will. Röttgen sagt, er wolle die Partei jünger, weiblicher und digitaler machen.

Seine gebrochene politische Biografie macht ihn zu einem Kandidaten, der eine Geschichte zu erzählen hat – eine Geschichte, in der er Demut zeigen und sein früheres Negativ-Image als streberhafter Einzelkämpfer konterkarieren kann. 

„Das Erleben eines Fallens und das Wiederaufstehen bleibt ein biographischer Teil von mir“, sagte Röttgen, als er im Februar seine Kandidatur ankündigte. „Und ich würde sogar sagen, dass beides wichtig ist für die Übernahme großer Verantwortung.“

Sein Fallen war geradezu spektakulär: Kanzlerin Merkel entließ ihn 2012 als Bundesumweltminister, nachdem er als CDU-Spitzenkandidat bei der NRW-Landtagswahl ein Debakel erlebt hatte. Das Wiederaufstehen ging langsam vonstatten. Seit 2014 ist er Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags – ein Amt, das ihm in diesen außenpolitisch unruhigen Zeiten Aufmerksamkeit sichert: Röttgen liefert geschliffene Erklärungen für eine erklärungsbedürftige Welt.

Er hat derzeit vor allem einen wichtigen Verbündeten: Die Zeit scheint für ihn zu spielen. Mit jeder neuen Umfrage scheint er weiter aufzuholen. 

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