Vor dem Urteil im Prozess um den Anschlag auf die Synagoge in Halle hofft der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, auf ein klares Signal des Gerichts. „Das war ein sehr schwerer Anschlag. Es wurden Menschen getötet“, sagte Issacharoff der Nachrichtenagentur AFP in einem Interview. Da sich der Attentäter bei seiner Tat selbst gefilmt habe, bestünden „kaum Zweifel“ an seiner Schuld. „Ich hoffe und vertraue darauf, dass die deutsche Justiz das Richtige tun und die richtige Entscheidung treffen wird“, sagte Issacharoff.
Der Attentäter Stephan B. hatte am 9. Oktober 2019 versucht, schwer bewaffnet in die Synagoge in Halle an der Saale einzudringen. Dort hielten sich 51 Menschen auf, um den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur zu feiern. Der 28-Jährige scheiterte aber an einer massiven Holztür und tötete daraufhin eine zufällig auf der Straße vorbeilaufende 40-jährige Frau und einen 20-jährigen Handwerker in einem Dönerimbiss.
Für ihn sei der Anschlag ein „sehr beunruhigender Moment in der deutschen Geschichte“, sagte Issacharoff. „Wenn es dem Angreifer gelungen wäre, in die Synagoge einzudringen, hätte das erhebliche Auswirkungen auf die deutsche Nachkriegsidentität und den Kampf gegen Antisemitismus gehabt.“
Die zunehmende antisemitische Grundstimmung in Deutschland, etwa bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen, bereite ihm ohnehin große Sorge, sagte Issacharoff. Früher sei Antisemitismus in Deutschland unterschwelliger gewesen und weniger offen ausgesprochen worden. Der Anschlag von Halle sei eine neue Eskalation: „Aus Worten sind Taten geworden: Mord und Mordversuch.“
Issacharoff forderte dazu auf, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus „überall und in jeder Form“ zu bekämpfen – auch im Interesse Deutschlands. Antisemitismus bedrohe „das Wesen der deutschen Demokratie“.
Im Prozess gegen den Attentäter von Halle wird am Montag das Urteil erwartet. Die Bundesanwaltschaft hat für den Angeklagten Stephan B. eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung gefordert. Sie nannte die Tat einen „der widerwärtigsten antisemitischen Akte seit dem Zweiten Weltkrieg“.