Auch in Deutschland werden positive Coronatests molekular näher untersucht, um Erkenntnisse über die Verbreitung von neuartigen Varianten des Erregers zu gewinnen. Nach Kritik von Experten und Opposition an unzureichenden Bemühungen kündigte die Bundesregierung kürzlich an, die Anstrengungen zu verstärken.
Aufschluss über Mutationen von Coronviren geben die sogenannten Gensequenzdaten, die aus der Analyse geeigneter positiver Tests stammen. In Deutschland werden diese vom Robert-Koch-Institut (RKI) gesammelt. Die Auswertung selbst erfolgt aber durch das nationale Coronaviren-Konsiliarlabor an der Berliner Charité. Daneben greift das RKI zusätzlich auf Datenbanken wie die der Global Initiative for Sharing All Influenza Data (Gisaid) zu, in die weltweit zahlreiche Labore ihre Erkenntnisse einspeisen.
Nach der Entdeckung der Verbreitung neuartiger hoch infektiöser Virusmutationen in Großbritannien und Südafrika wurde harsche Kritik an den bisherigen Anstrengungen laut. So bezeichnete der Freiburger Virologe Hartmut Hengel gegenüber „tagesschau.de“ die Maßnahmen als „miserabel“. Deutschland sequenziere ohne eine repräsentative Erfassung von Corona-Proben „auf dem Niveau eines Entwicklungslands“. Mutationen würden so später entdeckt.
Als Vorbild gilt Großbritannien. Dort schlossen sich nach dem Ausbruch Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitssystems und Forschungsinstituten zusammen, um die Verbreitung von Mutanten flächendeckend zu überwachen. Dies wird zudem von der Regierung finanziell gefördert. Nach eigenen Angaben analysierte dieses Covid 19 Genomics UK Consortium bisher rund 170.000 Proben.
Entsprechend liegen aus Großbritannien genauere Informationen zur Ausbreitung der neuartigen Varianten vor. Das Institut für Virologie an Charité, an dem auch das nationale Konsiliarlabor angesiedelt ist, stellte demgegenüber bislang insgesamt rund 3000 Gensequenzen auf seiner Internetseite ein, die zwischen Dezember 2019 und Dezember 2000 erstellt wurden. Etwa 900 davon stammten aus dem eigenen Haus, rund 2000 wurden von anderen Laboren analysiert und in der Gisaid-Datenbank veröffentlicht.
Inzwischen erarbeitete das Bundesgesundheitsministerium einen Entwurf für eine Verordnung, um die Sequenzierung hierzulande massiv auszuweiten und bessere Rückschlüsse zur Verbreitung der gefährlichen neuen Mutationen zu gewinnen. Nach RKI-Angaben wurden diese in Deutschland bislang „vereinzelt“ nachgewiesen.
Der Entwurf sieht vor, dass Labore in Deutschland wöchentlich bis zu fünf Prozent ihrer Corona-Tests molekular untersuchen und die Ergebnisse an das RKI übermitteln. Die höheren Kosten für diese Analysen übernimmt der Bund, pro Datensatz sollen die Labore 200 Euro erhalten. Rechtliche Grundlage ist das jüngst vom Bundestag verabschiedete dritten Bevölkerungsschutzgesetz.
Erst dieses neue Gesetz mache es möglich, die Gensequenzdaten „strukturiert zu erheben und beim RKI zusammenzuführen“, hieß es dazu aus dem Bundesgesundheitsministerium. Es werde „mit Hochdruck“ an der entsprechenden Verordnung gearbeitet. Dagegen kritisierten Politiker der Oppositionsparteien Grüne, FDP, dass die Sequenzierung nicht bereits zuvor massiv ausgeweitet wurde.