Deutschland hat nach Angaben der EU-Kommission keinen Vorrang bei der Belieferung mit dem Corona-Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer. Sie wisse nichts von nationalen Absprachen mit Impfstoffherstellern, sagte die Generaldirektorin der Kommissionsabteilung für Gesundheit, Sandra Gallina, am Dienstag in einer Anhörung im EU-Parlament in Brüssel. „Und in jedem Fall ist klar, dass die Lieferungen an Europa Vorrang haben.“
Die 27 EU-Staaten hatten die Kommission im Juni damit beauftragt, für sie Impfstoffe vorzubestellen. Dies sollte einen Wettlauf zwischen den EU-Regierungen um die Präparate verhindern und zudem günstigere Einkaufskonditionen sichern. Das Bundesgesundheitsministerium hatte aber im Dezember mitgeteilt, dass Berlin neben den Bestellungen über die EU national nochmals 30 Millionen Dosen bei Biontech und seinem US-Partner Pfizer geordert habe.
In Brüssel und in anderen Mitgliedstaaten sorgte dies für Empörung. Viele fühlten sich an deutsche Alleingänge zu Anfang der Corona-Pandemie erinnert, als Berlin etwa die Ausfuhr von Schutzausrüstung an die EU-Partner unterband.
„Parallele Vereinbarungen sind nicht möglich“, unterstrich nun die für Impfstoff-Bestellungen zuständige Verhandlungsführerin Gallina unter Verweis auf bereits von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geäußerte Kritik am Vorgehen der Bundesregierung. „Und ich muss sagen, ich habe bisher auch noch keine (nationale Vereinbarung mit Impfstoffherstellern) gesehen.“ Die Kommission sei nicht von bilateralen Absprachen Berlins mit Biontech in Kenntnis gesetzt worden.
In jedem Fall hätten die Hersteller sich zu proportionell zur Einwohnerzahl gleichen Lieferungen an alle Mitgliedstaaten verpflichtet. „Und auch wenn einige Mitgliedstaaten nicht ihre Gesamtmenge wollen, werden die verbleibenden Impfstoffdosen zu gleichen Teilen an die übrigen Mitgliedstaaten verteilt“, sagte Gallina.
Den Vorwurf, die Kommission habe nicht genug Impfstoff bestellt, wies die Abteilungsleiterin zurück. „Wir haben alles gekauft, was wir kaufen konnten.“ Dabei habe auch der Preis der einzelnen Vakzine, die Haftungsbereitschaft der Hersteller und deren Produktions- und Lieferkapazitäten eine Rolle gespielt. „Wenn ich mehr einkaufe, aber es nicht geliefert wird, was bringt es dann?“
Die EU-Abgeordneten im Umweltausschuss forderten mehr Transparenz. Die EU-Kommission hatte Vertragsdetails wie die Preise der einzelnen Vakzine und Fragen der Haftung bei Nebenwirkungen unter Verweis auf Vertraulichkeitsklauseln nicht publik gemacht.
Am Dienstag gewährte das Tübinger Pharmaunternehmen Curevac, mit dem die Kommission ebenfalls einen Liefervertrag für dessen bislang nicht zugelassenen Impfstoff abgeschlossen hat, als erster Hersteller Einsicht in die Vertragsdokumente. Allerdings unter strengen Auflagen: Wenige Abgeordnete können redigierte Versionen der Verträge für kurze Zeit und erst nach Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsvereinbarung einsehen.