Fast ein Jahr ist her, dass Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Rückzug als CDU-Vorsitzende ankündigte. Nachdem ein Parteitag zur Wahl ihres Nachfolgers zweimal wegen der Corona-Pandemie verschoben werden musste, wird sich am kommenden Wochenende auf dem ersten reinen Digital-Wahlparteitag entscheiden, ob Armin Laschet, Friedrich Merz oder Norbert Röttgen die CDU ins Superwahljahr 2021 führen. Die Frage nach dem Kanzlerkandidaten wird allerdings weiter unbeantwortet bleiben.
Einen klaren Favoriten gibt es nicht, wenn die 1001 Delegierten des 33. CDU-Parteitags in digitalen Wahlkabinen entscheiden. Am Samstagmittag soll feststehen, ob Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet, der frühere Unionsfraktionschef Merz oder der Außenpolitiker Röttgen an die Spitze der Partei rücken.
Anfangs wurden Laschet die besten Chancen eingeräumt; auch, weil er zusammen mit Gesundheitsminister Jens Spahn im Team antrat. Doch sein Agieren in der Corona-Pandemie wirkte gerade zu Beginn nicht immer glücklich, als zu zögerlich empfand so mancher sein Vorgehen. In Umfragen lag Laschet vor dem Parteitag sogar hinter seinen beiden Kontrahenten. Ein Zeichen für das Wahlergebnis auf dem Parteitag muss das nicht sein. Denn dann entscheiden die Delegierten aus den CDU-Landesverbänden, hier hat Laschet seinen mächtigen Landesverband NRW hinter sich.
Laschet steht für den liberalen Flügel der Union. Er wirbt offensiv damit, den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel fortsetzen zu wollen. Aus seiner Sicht sprechen für ihn vor allem seine Erfahrungen als Ministerpräsident und sein Wahlkampferfolg in NRW.
„Ich bringe mit Regierungserfahrung, die Leitung eines großen Landes, Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen – und, was vielleicht auch nicht ganz schädlich ist für einen CDU-Vorsitzenden, schon mal eine Wahl gewonnen zu haben“, warb Laschet am Freitagabend bei der letzten von der Partei organisierten Live-Debatte der drei Kandidaten für sich.
Er nutzte dieses Argument auch für einen kleinen Seitenhieb auf Merz und Röttgen: „Ich habe mich nicht zehn Monate in diesen Wettbewerb begeben können, weil wir über Monate von der Pandemie gefesselt waren.“
Mehr als solche zarten Spitzen bekamen die Zuschauer der Diskussionsrunde allerdings nicht geboten, vielmehr demonstrierten die Bewerber in den meisten Punkten große Einigkeit. Ganz anders war das noch im Oktober, als der CDU-Vorstand einen eigentlich für Anfang Dezember in Stuttgart geplanten Parteitag wegen der Corona-Pandemie verschob. Merz wetterte daraufhin gegen das „Establishment“ in Berlin und mutmaßte, seine Wahl solle verhindert werden.
Sein Argument, damals und heute: In den Umfragen liege ich vorne. Doch einen klaren Vorsprung für den Sauerländer zeigen auch diese kurz vor dem Parteitag nicht. Der frühere Unionsfraktionschef gilt als Mann des wirtschaftsliberalen und konservativen Flügels der Union – und für manchen würde er wohl auch einen Bruch mit der Ära Merkel verkörpern.
Als Alternative zu Laschet und Merz präsentiert sich dagegen der Außenpolitiker Röttgen. „Ich bin kein Lager, ich stehe für alle“, sagte Röttgen bei der Kandidatenrunde eine Woche vor dem Parteitag. Er stehe für ein klares Modernisierungsprofil: Die CDU müsse „weiblicher, jünger und digitaler“ werden. Tatsächlich gilt Röttgen längst nicht mehr als Zählkandidat.
Nicht zur Wahl steht in einer Woche CSU-Chef Markus Söder, doch zumindest in den Gedankenspielen der Delegierten könnte er eine große Rolle spielen. Denn der bayerische Ministerpräsident wird schon seit langem als möglicher Kanzlerkandidat der Union gehandelt. Wer an der Spitze der Union in den Bundestagswahlkampf zieht, wird vermutlich erst im Frühjahr entschieden. Spekuliert wurde zuletzt auch darüber, ob der derzeit laut Umfragen beliebte Gesundheitsminister Spahn antritt. Sicher ist nur, dass der CDU-Parteitag diese Frage noch nicht beantworten wird.