Den Linken fehlt die Machtoption

Die Linke - Bild: Die Linke/Niels Holger Schmidt
Die Linke - Bild: Die Linke/Niels Holger Schmidt

Es wird ein Kaltstart für die künftige Linken-Spitze: Wenn die beiden Kandidatinnen Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow am Samstag zu den neuen Vorsitzenden gewählt werden, sind es gerade noch sieben Monate bis zur Bundestagswahl. Den Landespolitikerinnen, die bislang kaum Erfahrungen im Bund haben, wird es nicht leicht fallen, die Partei erfolgreich durch den Wahlkampf zu führen. Schließlich ist die Corona-Krise die Stunde der Exekutive, und nicht die der Opposition. Zudem fehlt der Linken die Machtperspektive: Rot-Rot-Grün ist nicht in Sicht.

Die bisherigen Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger treten nach über acht Jahren ab, wegen der Pandemie zog sich ihre Ablösung zäh in die Länge: Der Parteitag war mehrfach verschoben worden und wird nun online über die Bühne gehen – schlechte Bedingungen für ein Aufbruchssignal im Wahljahr.

Auch nach Einschätzung der Demoskopen ist die Ausgangslage der Partei nicht gerade rosig. Die Meinungsforschungsinstitute sehen die Linke bei sechs bis neun Prozent – bei der Wahl von 2017 hatte die Partei 9,2 Prozent geschafft. 

Zwar tritt die Linke mit dem Anspruch an, nach 16 Jahren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für neue soziale Mehrheiten zu sorgen, wie es die scheidende Vorsitzende Kipping bei der Vorstellung des Wahlprogramms kürzlich formuliert hat. Und Fraktionschef Dietmar Bartsch – emsiger Verfechter einer Regierungsbeteiligung – argumentiert, allein mit den Linken sei ein Unions-Kanzler zu vermeiden.

Doch dafür müsste Wechselstimmung im Lande herrschen – doch von der ist weit und breit nichts zu spüren: Nach allen Meinungsumfragen ist keine Mehrheit für ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linken in Sicht. Der Publizist Albrecht von Lucke analysiert, das linke Spektrum habe es nicht geschafft, die politische Landschaft neu zu gestalten. 

Hinzu kommt, dass längst nicht jeder bei den Linken die Fahne der Regierungsbeteiligung mit Begeisterung hochhält. Fraktionschefin Amira Mohamed Ali sieht Rot-Rot-Grün ebenso skeptisch wie die Vorsitz-Kandidatin Wissler. Sie meint: „Ich nehme natürlich wahr, dass die Grünen gerade eher in Richtung CDU blinken und die SPD nun mal Teil der großen Koalition ist, deren Politik wir ablehnen.“

Eine andere Tonart schlägt Hennig-Wellsow an, die als Thüringer Landes- und Fraktionschefin wie kaum eine andere für rot-rot-grüne Bündnisse steht. Sie will die Linke „erfolgreich und damit auch regierungsfähig im Bund“ machen, wie sie der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ und dem Bonner „General-Anzeiger“ sagte. 

Doch auch wenn die Bedenken gegen eine Regierungsbeteteiligung bei den Linken nicht mehr so stark sind wie in früheren Jahren, weiß Hennig-Wellsow, dass es gegen ihren Kurs Vorbehalte gibt: „Es ist eine sehr anspruchsvolle Mission, die Linke zu führen.“

Und selbst wenn es in vielen Fragen – etwa dem Klimaschutz oder der Sozialpolitik – keine unüberbrückbaren Gegensätze zwischen Grünen, SPD und Linken gibt, existieren doch erhebliche Hürden für ein Bündnis der drei Parteien. So erneuert die Linke im Entwurf für das Wahlprogramm ihr Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr – eine Position, die sie in einer Regierung schwerlich wird durchsetzen können. 

Doch selbst die bündnisfreudige Hennig-Wellsow steht zu dieser Festlegung. Allenfalls Blauhelm-Einsätze wie etwa auf Zypern „kann man sich im Einzelfall anschauen“, bekundet sie. Das wird als Zugeständnis an SPD und Grüne kaum reichen –  so könnte die Frage der Regierungsbeteiligung am Ende zur Zerreißprobe für die Partei werden. Da wird bei den Linken mancher insgeheim froh sein, dass sich diese Frage nach derzeitiger Lage der Dinge überhaupt nicht stellt.  

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