Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die Menschen in Deutschland angesichts des stockenden Rückgangs bei den Corona-Neuinfektionen zu weiterer Wachsamkeit aufgerufen. „Wir haben eine Seitwärtsbewegung, das mahnt zur Vorsicht“, sagte Spahn am Freitag in Berlin. Er bestätigte die Berufung des Chefs der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Christoph Krupp, zum neuen Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die Impfstoffproduktion. Bei den kostenlosen Schnelltests ab dem 1. März könne es zu lokalen Engpässen kommen.
Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, betonte, Deutschland stehe „möglicherweise erneut am Wendepunkt“. Der rückläufige Trend setze sich nicht mehr fort. Die Zahl der Neuinfektionen war nach größeren Sprüngen zuletzt kaum noch zurückgegangen, der Sieben-Tage-Inzidenzwert pro 100.000 Einwohner stagniert bei rund 57. Welche Rolle die Varianten des Coronavirus spielen, sei noch nicht klar, sagte Wieler. Die zuerst in Großbritannien entdeckte Mutation macht inzwischen mehr als ein Fünftel aller Infektionen aus.
Die in Großbritannien aufgetretene Variante sei noch ansteckender und wahrscheinlich gefährlicher als die bisherigen, sagte Wieler. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Bekämpfung der Pandemie dadurch schwieriger wird.“ Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, wegen des stagnierenden Rückgangs müssten alle Überlegungen über mögliche Öffnungsschritte mit viel Vorsicht angestellt werden.
Krupp, der als Vertrauter von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) gilt, soll die Leitung einer Task Force Impfstoffproduktion übernehmen. Die formelle Übertragung der Aufgabe ist für die kommende Woche geplant, wie das Finanzministerium auf Anfrage mitteilte. Krupp wird Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) unterstellt sein.
Die Linke kritisierte die Berufung Krupps. Die Bundesregierung versuche, „ihr Totalversagen zu kaschieren“, sagte ihr Gesundheitsexperte Achim Kessler. Die Verlagerung der Verantwortung vom Gesundheits- ins Wirtschaftsministerium werde das Problem nicht lösen. Um die Produktionskapazitäten zu erhöhen, müssten Lizenzen und technologisches Know-how freigegeben werden.
Bei den Schnelltests, die ab 1. März kostenlos zur Verfügung stehen sollen, könnte es Spahn zufolge in den ersten Tagen zu lokalen Engpässen kommen. Es werde „auch Schlangen geben“, sagte der Gesundheitsminister. Die bereits verfügbaren Schnelltests sollen in Apotheken, Impfzentren und Arztpraxen angeboten werden. Zudem sollen im März Schnelltests zur Selbstanwendung zugelassen werden.
Spahn will zügig die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Grundschullehrer und Kita-Betreuer schneller geimpft werden. Sie sollen aus der dritten in die zweite Priorisierungsgruppe hochgestuft werden. Er wolle das zeitnah mit den Ländern besprechen und dann zügig die Impfverordnung ändern.
Die FDP begrüßte dies. „Diese Berufe sind ultrasystemrelevant“, sagte ihre Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus zu AFP. „Schulen und Kitas müssen daher so schnell wie möglich öffnen können.“
Mit Blick auf die Vorbehalte gegen den Impfstoff von Astrazeneca sagte Spahn, wenn jemand die Impfung nicht wolle, werde sie dem nächsten angeboten. Er sprach sich dafür aus, die geplante Impfreihenfolge beizubehalten. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) regte dagegen eine Diskussion über die Reihenfolge zu einem späteren Zeitpunkt an. Wenn der Impfstoff in den priorisierten Gruppen nicht angenommen werde und es gleichzeitig Menschen gebe, die geimpft werden wollten, sollten Bund und Länder prüfen, „wie wir das hinkriegen“, sagte Holetschek.