Mit schockierenden Aufnahmen von der Kapitol-Erstürmung vor rund einem Monat hat der Impeachment-Prozess gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump begonnen. Der demokratische Abgeordnete und Anklageführer Jamie Raskin führte am Dienstag im Senat einen Zusammenschnitt von Videobildern vor, die die große Brutalität von Trump-Anhängern bei der Erstürmung zeigen. Präsentiert wurden auch Äußerungen Trumps am 6. Januar – unter anderem seine Aufforderung an seine Anhänger, auf „Teufel komm raus zu kämpfen“.
„Deswegen hat das Repräsentantenhaus am 13. Januar ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten eingeleitet“, sagte Raskin im Anschluss an das knapp viertelstündige Video. „Wenn das kein Vergehen ist, das ein Impeachment verdient, dann nichts.“ Die Demokraten werfen Trump vor, seine Anhänger zur Kapitol-Erstürmung mit fünf Toten angestachelt zu haben. Die Anklage lautet deswegen auf Anstiftung zum Aufruhr.
Am ersten Verhandlungstag ging es um die verfassungsrechtliche Frage, ob der Senat Trump überhaupt den Prozess machen kann. Trumps Anwälte argumentieren, das Verfahren sei verfassungswidrig: Der Senat könne nur über amtierende, nicht aber über frühere Präsidenten urteilen.
Anklageführer Raskin wies dies entschieden zurück: Es gebe keine „Januar-Ausnahme“, sagte der Abgeordnete mit Blick auf den letzten Amtsmonat eines jeden Präsidenten. Präsidenten müssten auch zur Rechenschaft gezogen werden können für Vergehen, die sie in den letzten Amtstagen begangen hätten – und das bedeute, dass ein Senatsprozess auch erst nach ihrer Amtszeit stattfinden könne. Ansonsten könnte ein Präsident beispielsweise ungestraft versuchen, sich nach einer Abwahl gewaltsam an der Macht zu halten, sagte Raskin.
„Trump hat heute seine Anwälte hergeschickt, um den Senat daran zu hindern, die Fakten in diesem Fall zu hören“, sagte der Abgeordnete und frühere Professor für Verfassungsrecht. „Sie wollen den Prozess beenden, bevor überhaupt Beweise vorgelegt wurden.“ Raskin versprach, die Anklage basiere auf „kalten, harten Fakten“.
Ankläger und Trump-Anwälte hatten am Dienstag insgesamt vier Stunden Zeit, um ihre Standpunkte zur Verfassungsmäßigkeit des Prozesses darzulegen. Dann stand eine Abstimmung der 100 Senatoren an. Sollten sie für einen Fortgang des Prozesses stimmen, wovon ausgegangen wurde, haben Ankläger und Verteidiger von Mittwoch an jeweils zwei Tage Zeit bekommen, auf die konkreten Vorwürfe gegen Trump einzugehen.
Radikale Trump-Anhänger hatten am 6. Januar gewaltsam das Kapitol erstürmt, wo an diesem Tag der Sieg des gewählten Präsidenten Joe Biden endgültig bestätigt werden sollte. Trump hatte seine Anhänger zuvor in einer aufwieglerischen Rede zum Marsch auf das Kapitol aufgerufen. Schon in den Wochen zuvor hatte der Rechtspopulist ohne jeden Beweis behauptet, ihm sei der Wahlsieg durch massiven Betrug „gestohlen“ worden.
Der Prozess gegen Trump wird nun im Plenum des Senats geführt – einem der Säle, in den die Trump-Anhänger am 6. Januar eingedrungen waren. Bei einer Verurteilung Trumps könnte der Senat ihn von künftigen öffentlichen Ämtern ausschließen.
Allerdings gilt ein Schuldspruch als nahezu ausgeschlossen: Notwendig wäre eine Zweidrittelmehrheit in der Kongresskammer. Da Demokraten und Republikaner jeweils 50 Senatoren stellen, müssten mindestens 17 Republikaner mit den Demokraten stimmen. Das gilt als höchst unwahrscheinlich.
Trump ist der erste Präsident der US-Geschichte, gegen den zwei Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wurden. Trump ist zudem der erste frühere Staatschef der USA, der sich nach seinem Ausscheiden aus dem Amt einem Impeachment-Prozess stellen muss. Der 74-Jährige lebt inzwischen in seinem Privatclub Mar-a-Lago im Bundesstaat Florida. Eine Aussage im Impeachment-Verfahren hat er abgelehnt.