Der britische Essenslieferdienst Deliveroo ist mit seinem Börsengang weit unter den eigenen Erwartungen geblieben. Der Kurs der Aktie sackte am ersten Handelstag am Mittwoch um 23 Prozent ab. Kaufen konnten die Aktie zunächst nur institutionelle Anleger. Ihr Zögern erklärten Analysten zum einen mit der Kritik am Geschäftsmodell, das auf selbstständige Fahrer setzt, zum anderen mit der Ausgabe von Aktien speziell für Gründer Will Shu mit umfangreichen Stimmrechten.
Der Börsengang von Deliveroo in London ist der größte seit Mai 2011, als der Schweizer Rohstoffgigant Glencore an die Börse gegangen war. Deliveroo erreichte mit dem Börsengang einen Börsenwert von 7,6 Milliarden Pfund (8,9 Milliarden Euro).
Seine Aktien bot das Unternehmen zum Preis von jeweils 3,90 Pfund an; er sank jedoch bereits kurz nach Handelsbeginn auf 3,02 Pfund. Deliveroo will ein Fünftel der Anteile am Unternehmen verkaufen; ab 7. April können alle Interessierten Aktien kaufen.
Mit dem eingenommenen Geld will Deliveroo weiter expandieren. Gründer Shu erklärte am Mittwoch, „auf der nächsten Etappe unserer Reise als börsennotiertes Unternehmen werden wir weiter in Innovationen investieren, die Restaurants und Lebensmittelhändler dabei hilft zu wachsen, Kunden mehr Auswahl denn je gibt und Fahrern mehr Arbeit“.
Die Fahrer von Deliveroo fahren auf Bestellung zu Partnerrestaurants, holen dort fertige Gerichte ab und bringen sie den Kunden und Kundinnen nach Hause. Deliveroo arbeitet mit 115.000 Restaurants in 800 Städten weltweit zusammen; rund 100.000 Fahrer liefern die Bestellungen aus. Angestellt bei Deliveroo sind nur rund 2000 Menschen.
Deliveroo betont, dass die Fahrer die Flexibilität ihres Jobs schätzen. An vielen Orten gab es in den vergangenen Monaten aber Protestaktionen gegen die Arbeitsbedingungen, etwa in Australien, Großbritannien und Frankreich. Analyst Michael Hewson von CMC Markets UK sagte, die Bedenken wegen der Arbeitsbedingungen der Fahrer seien als ein Grund für die Zurückhaltung genannt worden, in Deliveroo zu investieren.
Es gebe wahrscheinlich noch zahlreiche andere Gründe, darunter die Zwei-Klassen-Aktien, erklärte Hewson weiter. Typ A können Anleger kaufen, Typ B sind ausschließlich für Gründer und Chef Shu reserviert. Jede Aktie vom Typ B gewährt demnach 20 Stimmen – damit hat Shu die Kontrolle über jede wichtige Entscheidung der Geschäftsführung.
Shu hatte Deliveroo im Jahr 2013 in London gegründet und war schnell auch in andere Länder expandiert. In Deutschland war der Dienst im April 2015 gestartet und hatte sein Geschäft hierzulande im August 2019 überraschend beendet. 2019 stieg Amazon bei Deliveroo ein und erhielt schließlich 2020 grünes Licht von der britischen Wettbewerbsaufsicht; dem US-Konzern gehören 16 Prozent.
Das Unternehmen macht nach wie vor Verlust. Es konnte ihn aber von 317 Millionen Pfund 2019 auf knapp 224 Millionen Pfund 2020 reduzieren.