Die EU hat die Türkei zu weiteren Schritten zu einer Entspannung im beiderseitigen Verhältnis aufgefordert. Bei einer Videokonferenz mit Präsident Recep Tayyip Erdogan habe die EU „die Bedeutung einer nachhaltigen Deeskalation und einer weiteren Stärkung der Vertrauensbildung“ betont, erklärten EU-Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitag. Dies sei nötig für „eine positivere EU-Türkei-Agenda“. Erdogan forderte seinerseits vom EU-Gipfel kommende Woche „konkrete Ergebnisse“.
Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen bei den Beratungen am Donnerstag und Freitag den weiteren Kurs gegenüber der Türkei abstecken. Die Beziehungen seien „schwierig und kompliziert“, hieß es am Freitag aus EU-Kreisen. Erdogan wurde demnach über einen Bericht des Außenbeauftragten Josep Borrell für den Gipfel informiert. Dieser sehe „ein paar Verbesserungen“. Es müsse sich aber noch erweisen, ob diese dauerhaft seien.
Das Verhältnis der EU zum langjährigen Beitrittskandidaten Türkei ist durch eine Reihe von Konflikten belastet. Seit 2019 hat die EU Sanktionen wegen des Streits mit Griechenland und Zypern um die Ausbeutung von Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer verhängt.
Kritisch sieht die EU auch das militärische Eingreifen Ankaras in den Konflikten in Syrien, Libyen oder Berg-Karabach. Regelmäßige Proteste gibt es zudem wegen der Menschenrechtslage in der Türkei. Erst am Donnerstag zeigte sich Brüssel zudem „zutiefst besorgt“ wegen des Verbotsantrags gegen die pro-kurdische Oppositionspartei HDP.
Die EU hatte Ankara wegen des Gasstreits noch im Dezember mit weiteren Sanktionen gedroht. Nachdem sich die Türkei hier und bei der Lösung des Konflikts um die geteilte Mittelmeerinsel Zypern inzwischen gesprächsbereit zeigte, wird eine „positive Agenda“ geprüft.
In der Gasfrage setze Ankara „trotz Provokationen durch Griechenland und die griechischen Zyprer“ auf Kooperation, sagte Erdogan laut türkischem Präsidialamt in der Video-Schaltkonferenz. Bei der Zypern-Frage müssten „realistische und neue Optionen“ diskutiert werden.
Von der Leyen und Michel sprachen nach eigenen Angaben mit Erdogan über die Lage der rund 3,7 Millionen Syrien-Flüchtlinge, die in der Türkei leben. In einem Flüchtlingsabkommen von 2016 hatte die EU Ankara sechs Milliarden Euro für ihre Versorgung zugesagt. Sie sind inzwischen größtenteils ausgezahlt.
Erdogan betonte, eine Erneuerung des Flüchtlingspakts sei „Basis für eine positive Agenda“ im beiderseitigen Verhältnis. Denn „die Last für die Türkei durch die Flüchtlinge und irreguläre Migration verstärkt sich“, sagte er.
Die EU ist grundsätzlich bereit, sich an einer weiteren Finanzierung der Versorgung der Migranten in der Türkei zu beteiligen. Konkrete Zahlen für ein neues Milliardenpaket wurden bei dem Gipfel aber nicht erwartet.
Daneben könnte die EU Ankara Diplomaten zufolge eine Wiederaufnahme der Gespräche über die Ausweitung der Zollunion anbieten. Dies wäre für die Türkei von großem Interesse, da sie sich in einer schweren Wirtschaftskrise befindet.
Von der Leyen und Michel erörterten nach eigenen Angaben auch die Möglichkeit eines Besuchs in der Türkei nach dem EU-Gipfel. Erdogan forderte, für bessere Zusammenarbeit müsse nun „ein Dialog auf hoher Ebene beginnen“.