Der EU-Gipfel will sich grundsätzlich für die Kontrolle von Ausfuhren von Corona-Impfstoff in Drittstaaten aussprechen. „Wir betonen die Wichtigkeit von Transparenz sowie die Verwendung von Exportgenehmigungen“, heißt es nach AFP-Informationen im letzten Entwurf der Gipfel-Schlussfolgerungen vom Donnerstag. Die Hersteller der Vakzine müssten ihre vertraglichen Lieferpflichten einhalten.
Die EU-Kommission hatte wegen des Streits um Lieferverzögerungen des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca am Mittwoch die EU-Exportregeln deutlich verschärft. Nun sind Ausfuhrsperren möglich, wenn ein Zielland selbst Impfstoff produziert, aber nicht exportiert, oder wenn dessen Bevölkerung bereits weitgehend geimpft ist. Die Notverordnung ist bereits in Kraft. Die Mitgliedstaaten könnten sie im Nachhinein kippen.
Offene Kritik an der Regelung seitens der Regierungen blieb bislang aus, es gab aber Mahnungen zur Vorsicht. Es sei nicht ratsam, wegen „eines einzelnen schwarzen Schafes“ unter den Herstellern die globalen Wertschöpfungsketten von Impfstoffen zu gefährden, sagte ein EU-Diplomat. Mit Unternehmen wie Biontech/Pfizer und Moderna gebe es schließlich keine Probleme.
Auch die Bundesregierung zeigte sich zurückhaltend. Angesichts internationaler Lieferketten und möglicher Vergeltungsaktionen bei Exportstopps müsse verhindert werden, dass „man nicht am Ende ein größeres Problem auslöst“, sagte ein deutscher Regierungsvertreter am Mittwoch.
„Es ist richtig von der Kommission, mit den Säbeln zu rasseln und so mehr Druck aufzubauen“, erklärte die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini. Aber ein Exportverbot wäre dennoch ein „gefährlicher Weg“. Das eigentliche Problem sei „die späte und zu zögerliche Bestellung von Impfstoffen durch die Kommission“, monierte der FDP-Abgeordnete Andreas Glück. Brüssel dürfe jetzt nicht versuchen, „einen Fehler durch einen anderen Fehler zu beheben“.
Große Unterstützung für die strengeren Exportregeln kam hingegen von konservativen Politikern. „Wir brauchen kurzfristig harte Bandagen gegenüber Drittstaaten“, erklärte der CDU-Abgeordnete Peter Liese. „Wenn die Regeln schon im Januar gegolten hätten, hätten mittlerweile schon mehr Menschen in der EU geimpft werden können.“
Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron äußerte sich rückblickend kritisch. „Wir waren nicht schnell genug“, sagte er im griechischen Fernsehen. Europa habe nicht so schnell mit der Entwicklung der Impfstoffe gerechnet und das räche sich nun. Im Vergleich zu den USA beispielsweise habe es der EU an Ehrgeiz gefehlt.
Laut einer Studie des Kreditversicherers Euler Hermes liegt die EU mittlerweile sieben Wochen hinter ihren eigenen Impfzielen und „die Verzögerung verschlimmert sich“. Vor einem Monat waren es demnach noch fünf Wochen. „Wenn dies nicht kompensiert wird, könnte das die europäische Wirtschaft im Jahr 2021 (…) fast 123 Milliarden Euro kosten.“
Die Staats- und Regierungschef beraten bei ihrem Video-Gipfel am Donnerstag über weitere Aspekte der Corona-Pandemie. Laut Schlussfolgerungsentwurf wollen sie sich dafür aussprechen, Reisebeschränkungen beizubehalten, dabei aber den ungehinderten Warenverkehr unbedingt sicherzustellen. Außerdem wollen die 27 Länder die koordinierte Rücknahme von Einschränkungen vorbereiten und an der technischen Umsetzung eines einheitlichen, „nicht diskriminierenden“ Impfzertifikats arbeiten.