Winfried Kretschmann geht deutlich gestärkt in seine dritte Amtszeit

Winfried Kretschmann - Bild: Staatsministerium Baden-Württemberg
Winfried Kretschmann - Bild: Staatsministerium Baden-Württemberg

In seiner Partei hatte Winfried Kretschmann lange einen schweren Stand, später führte er die Grünen in der einstigen CDU-Hochburg Baden-Württemberg souverän an die Macht. Nun erzielte der 72-Jährige mit seiner Partei einen neuen Triumph. Dennoch gab sich der Landesvater am Wahlabend betont bescheiden: Er nehme den Auftrag „mit großer Dankbarkeit und Demut an“. Keinen Hinweis gab Kretschmann darauf, ob er die Neuauflage von Grün-Schwarz oder eine Ampelkoalition anstrebt.

Zum dritten Mal wird Kretschmann also Regierungschef in Baden-Württemberg. Sein Alter sieht er dabei nicht als Problem. Er sei schließlich erst am Ende einer etwaigen weiteren Amtszeit so alt wie der neue US-Präsident Joe Biden heute, erläuterte er.

Der erste und bislang einzige grüne Ministerpräsident ist tief in seinem Bundesland verwurzelt. Seit 1975 ist er mit seiner Frau Gerlinde verheiratet und lebt im kleinen oberschwäbischen Örtchen Laiz, wo er Mitglied des örtlichen Schützenvereins ist. Bundespolitische Ambitionen wurden dem stets etwas sperrig wirkenden Schwaben im Laufe seiner Karriere nur einmal kurz nachgesagt: Das war im Jahr 2016, als er zwischenzeitlich als Nachfolger von Bundespräsident Joachim Gauck im Gespräch war.

Kretschmann kam am 17. Mai 1948 am Westrand der Schwäbischen Alb als Kind von Heimatvertriebenen in katholischem Milieu zur Welt. Ganz ähnliche Umstände prägten übrigens auch den in etwa gleichaltrigen ehemaligen Grünen-Übervater Joschka Fischer, dem Kretschmann in den 80er Jahren im hessischen Umweltministerium als Referent diente. Anders als Fischer bezeichnet sich der Regierungschef noch heute als „in der Wolle gefärbter Katholik“.

Mit Fischer teilte Kretschmann auch seinen früh erwachenden Widerwillen gegen autoritäre Herrschaftsformen. Ihre ersten politischen Gehversuche machten beide in der radikalen linken Szene, Kretschmann in einer kommunistischen Hochschulgruppe. Vor dem Radikalismus habe ihn seine Frau gerettet, erzählt Kretschmann immer wieder. Er arbeitete zunächst als Lehrer an Privatschulen, wurde dann aber als Gymnasiallehrer verbeamtet.

Seine politischen Anfänge verglich Kretschmann später mit einer Sektenmitgliedschaft. Bei den Grünen hingegen machte er sich von Anfang an einen Namen als Realpolitiker. Nach dem Einzug der damals noch jungen Partei in den Stuttgarter Landtag 1980 kam es deshalb zum Bruch. Kretschmann war 1984 ursprünglich als Spitzenkandidat für die Landtagswahl vorgesehen, zog sich nach internen Grabenkämpfen mit dem linken Grünen-Flügel aber zurück.

Auch danach folgte ein berufliches und politisches Hin und Her, das Verhältnis zwischen Kretschmann und seiner Partei blieb lange Zeit angespannt. 1988 kehrte Kretschmann als Abgeordneter zwischenzeitlich in den Landtag zurück, überwarf sich jedoch erneut mit den Fundis. Er flog aus dem Parlament und arbeitete bis 1996 erneut als Lehrer.

Erst im dritten Anlauf etablierte sich Kretschmann dauerhaft als politisches Schwergewicht. Seit 1996 ist er ununterbrochen Landtagsabgeordneter und verhalf dem realpolitischen Flügel seiner Partei zum Durchbruch. 2011 wurde dann sein Jahr. Nach dem Konflikt um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 sowie unter dem Eindruck der Atomkatastrophe von Fukushima und anhaltender Querelen innerhalb der CDU gelang es ihm als erstem Grünem überhaupt, Ministerpräsident eines deutschen Bundeslands werden.

Zunächst regierte Kretschmann eine Legislaturperiode mit der SPD, seit seiner Wiederwahl 2016 dann mit der CDU. Die dritte Amtszeit soll aber seine letzte werden. Der zurückliegende Wahlkampf wurde von einem schweren Schicksalsschlag überschattet: Bei seiner Frau wurde Brustkrebs festgestellt, wie Kretschmann selbst mitteilte.

Seit Mitte Februar schränkte er deshalb seine Wahlkampftermine ein, um ihr beistehen zu können. Seinem Erfolg tat das aber keinen Abbruch. Die Grünen konnten ihren Vorsprung vor dem bisherigen Koalitionspartner CDU mehr als verdoppeln – und können sich nun aussuchen, ob sie weiter Grün-Schwarz oder lieber ein Bündnis mit SPD und FDP wollen.

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