Debatte über Unabhängigkeit dominiert Parlamentswahl in Schottland

Symbolbild: Schottland will Unabhängigkeit
Symbolbild: Schottland will Unabhängigkeit

Die Schotten wählen am Donnerstag ein neues Parlament – und entscheiden indirekt auch über ihre Zukunft als Teil des Vereinigten Königreichs. Denn die Abstimmung über die 129 Sitze im Regionalparlament wird von der Frage dominiert, ob Schottland ein neues Unabhängigkeitsreferendum und eine Rückkehr in die EU anstreben sollte.

Regierungschefin Nicola Sturgeon von der Schottischen Nationalpartei (SNP) hat für den Fall eines Wahlsieges eine erneute Abstimmung über die Abspaltung von London angekündigt. Sie setzt auf eine Mehrheit im Parlament für ein Referendum Ende 2023 und hofft, nach einem Austritt aus dem Vereinigten Königreich wieder der EU beitreten zu können.

Der britische Premierminister Boris Johnson hätte dann „keine demokratische“ oder „moralische“ Rechtfertigung mehr, um eine solche Abstimmung zu blockieren, sagte Sturgeon diese Woche mit Blick auf eine mögliche Mehrheit der Unabhängigkeitsbefürworter im Parlament. Umfragen zufolge könnte die SNP zwar eine eigene Mehrheit verfehlen. Sie wäre dann auf eine Koalition mit anderen Parteien angewiesen, die aber ebenfalls für die Eigenständigkeit Schottlands eintreten.

Beim ersten Referendum im Jahr 2014 hatten sich noch 55 Prozent der Schotten gegen eine Loslösung von London ausgesprochen. Bei der Brexit-Abstimmung im Jahr 2016 votierten die Schotten aber mehrheitlich gegen den EU-Austritt. Danach gewann die Unabhängigkeitsbewegung erneut an Fahrt. Johnson lehnt ein erneutes Referendum über die schottische Unabhängigkeit ab. Eine solche Abstimmung sollte nach seiner Ansicht erst wieder in einer Generation stattfinden.

Laut einer aktuellen Umfrage sind die Schotten gespalten in der Unabhängigkeits-Frage. In einer Befragung des Instituts Savanta ComRes sprachen sich in dieser Woche 42 Prozent dafür und 49 Prozent dagegen aus. Befürworter eines zweiten Referendums über Schottlands Unabhängigkeit argumentieren, die Lage habe sich nach dem Brexit, der die schottischen Fischer und Landwirte hart getroffen habe, entscheidend geändert.

Sturgeons SNP wirbt mit dem Versprechen eines „gerechteren und wohlhabenderen“ Schottlands für die Unabhängigkeit – und mit der Aussicht auf eine Rückkehr in die EU. Ihre Gegner warnen aber davor, dass eine Abspaltung von Großbritannien die wirtschaftliche Erholung Schottlands nach der Pandemie gefährde.

Schottland brauche Politiker, „die unser Land einen wollen und nicht solche, die uns spalten wollen“, sagte der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Anas Sarwar, der Nachrichtenagentur AFP.

Vorbehalte gibt es auch wegen des Zeitpunkts der Kampagne. „Grundsätzlich bin ich für die Unabhängigkeit, aber ich denke nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, besonders wegen der Pandemie“, sagte der 42-jährige David Collin aus Glasgow.

Wegen der Corona-Pandemie fand der Wahlkampf weitgehend im Fernsehen und im Netz statt. „Es ist eine komische Situation: Diese Wahl ist so wichtig und doch konnten sich die Menschen kaum darauf einlassen“, sagte der Glasgower Politikwissenschaftler Christopher Carman.

Bei der Wahl tritt auch die erst im März gegründete Partei Alba des ehemaligen schottischen Regierungschefs Alex Salmond an. Sie will sich im Falle einer Regierungsbeteiligung für sofortige Gespräche mit London über ein neues Referendum und die Bedingungen für eine Unabhängigkeit einsetzen.

Der frühere Vorsitzende der SNP war von 2007 bis 2014 Regierungschef, trat nach dem gescheiterten Unabhängigkeitsreferendum aber zurück. Mit seiner Nachfolgerin Sturgeon hat er sich im Streit um Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen ihn überworfen. Er wurde später von den Anschuldigungen freigesprochen. Eine Zusammenarbeit mit ihrem früheren Mentor schloss Sturgeon im Wahlkampf aus.

Auch die schottischen Grünen treten für die Unabhängigkeit ein. Sie haben einer Koalition mit Alba aber ebenfalls eine Absage erteilt. Auch die Mehrheit der SNP-Wähler lehnen ein Bündnis mit Alba ab, für eine Koalition mit den Grünen gibt es hingegen eine breite Zustimmung im Lager der Regierungspartei.

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