EU-Sozialkommissar: Corona-Krise verdeutlicht Notwendigkeit von sozialem Europa

Nicolas Schmit - Bild: Lukasz Kobus/EU
Nicolas Schmit - Bild: Lukasz Kobus/EU

EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit hat die Staats- und Regierungschefs aufgefordert, bei ihrem Gipfel am Wochenende „eine starke politische Botschaft“ für ein soziales Europa zu verabschieden. Die Corona-Krise habe „gezeigt, wie wichtig soziale Themen sind“, sagte Schmit der Nachrichtenagentur AFP. „Aus der Gesundheitskrise ist sehr schnell eine Wirtschaftskrise geworden.“ Durch die Vernichtung hunderttausender Arbeitsplätze sei die Pandemie für Teile der Bevölkerung auch zu „einer echten sozialen Notlage“ geworden.

Im portugiesischen Porto findet am Freitag und Samstag erstmals seit 2017 wieder ein EU-Sozialgipfel statt. Er soll sich auch mit der Umsetzung der Beschlüsse des vorangegangenen Treffens im schwedischen Göteborg befassen. Dort hatten die Staats- und Regierungschefs eine „europäische Säule sozialer Rechte“ vereinbart, die vom Anrecht auf lebenslange Weiterbildung über „angemessene Mindestlöhne“ bis zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern reichen.

Die konkrete Umsetzung steht noch immer aus. Schmit hoffte auf Unterstützung des Gipfels für einen Aktionsplan der EU-Kommission dazu. Die Behörde hatte im März drei Hauptziele bis 2030 formuliert: eine Beschäftigungsquote von mindestens 78 Prozent, Fortbildung für mindestens 60 Prozent der Erwachsenen jährlich und die Verringerung der Zahl von Menschen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, um mindestens 15 Millionen.

Schmit dämpfte allerdings Erwartungen, an konkrete Beschlüsse des Gipfels. Bei dem Treffen in Porto gehe es nicht darum, „über diese oder jene Maßnahme zu entscheiden“, sagte er.

Der Kommissar aus Luxemburg räumte ein, dass es unter den Mitgliedstaaten unterschiedliche Ansichten darüber gebe, welche Kompetenzen die EU im Sozialbereich haben solle. Dies zeige sich etwa in der Frage der europäischer Mindestlöhne, sagte er. Die Kommission hatte hier im Oktober einen Vorschlag unterbreitet, der aber unter den EU-Regierungen umstritten ist. Einige Länder halten die Frage für eine rein nationale Angelegenheit.

In Porto gehe es darum, „eine breite Perspektive“ zu Fragen der Sozial- und Arbeitnehmerrechte für die Zeit bis 2030 zu eröffnen, betonte Schmit. Dies schließe auch „die Erholung unserer Wirtschaft“ nach der Corona-Krise ein.

Hierbei habe die EU die Lehren aus der Finanzkrise gezogen, die aus Sicht von Ökonomen von einer zu schnellen Rückkehr zur einer zu restriktiven Finanzpolitik geprägt gewesen sei, sagte der Luxemburger. Er verwies darauf, dass die EU-Kommission bis auf weiteres die Regeln für die Verschuldung der Mitgliedstaaten ausgesetzt habe.

Und mit dem Corona-Aufbaufonds von 750 Milliarden Euro habe die EU ein Instrument, um die Erholung der Wirtschaft zu fördern, sagte Schmit. Der über gemeinsame Verschuldung finanzierte Plan sei „eine große Neuerung“ und ein „wichtiger Moment in der Entwicklung der Europäischen Union, ein Moment echter Solidarität“. Er basiere auf der Einsicht, „dass man seinen wirtschaftlichen Erfolg nicht auf den Problemen des Nachbarn aufbauen kann“.

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