Das Wirken des einstigen Sozialpädagogikprofessors Helmut Kentler soll auf Initiative des Landes Berlin hin nun auch bundesweit aufgearbeitet werden. „Der Fall Kentler ist noch nicht abgeschlossen“, erklärte die Berliner Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Donnerstag. „Mit Blick auf ein mutmaßliches Netzwerk und bundesweite Bezüge besteht ein weiterer Aufarbeitungs- und Forschungsbedarf“.
Im Rahmen des sogenannten Kentler-Experiments waren von der Berliner Kinder- und Jugendhilfe systematisch Pflegekinder an Pflegeväter mit pädosexuellen Neigungen vermittelt worden. Das insgesamt dritte Forschungsprojekt in dem Fall soll nun eventuelle bundesweite Verflechtungen untersuchen. Die Jugend- und Familienministerkonferenz beschloss am Donnerstag einen entsprechenden Auftrag für die Universität Hildesheim und forderte die Bundesländer auf, die Untersuchung zu unterstützen.
Das Land Berlin hatte in der Vergangenheit bereits zwei Forschungsprojekte zu dem Fall initiiert. In einem Abschlussbericht aus dem Jahr 2020 heißt es, es sei davon auszugehen, dass es ein „Netzwerk von Akteuren gab, das pädophile Positionen gestärkt und legitimiert hat“, erklärte die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie am Donnerstag. Pädophile Übergriffe seien nicht nur geduldet, sondern auch arrangiert und gerechtfertigt worden.
Das Forschungsteam kam außerdem zu dem Ergebnis, dass es auch Verbindungen zu Jugendämtern und wissenschaftlichen Institutionen in Westdeutschland gab. Ab den 70er Jahren wurden demnach durch das Berliner Landesjugendamt und durch Bezirksjugendämter auch Pflegestellen bei Männern in Westdeutschland eingerichtet, die pädophile Positionen „akzeptiert, gestützt und praktiziert haben“.
Die Jugendminister begrüßten die öffentliche Aufarbeitung der Rolle Kentlers in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe. Sie unterstützt die Weiterführung des Aufarbeitungsprozesses – auch hinsichtlich pädophiler Netzwerke, die über Berlin hinausgingen.