Der grenzüberschreitende Bahnverkehr in Europa soll in den kommenden Jahren einen deutlichen Schub bekommen und damit auch den Klimaschutz voranbringen. Dazu beitragen soll ein Comeback des TransEuropExpress (TEE), der bei Reisenden unter anderem mit möglichst viel Komfort punkten und so mehr Menschen zum Umstieg vom Flieger auf die Schiene bewegen soll. Zahlreiche europäische Länder sagten am Montag laut Bundesverkehrsministerium in einer Absichtserklärung ihre Unterstützung für das Konzept zu.
„Mit dem Jahr der Schiene wollen wir die Menschen in ganz Europa vom grenzenlosen Bahnreisen begeistern und faszinieren“, sagte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Zugleich verwies er darauf, dass der europäische Klimaschutzplan „Green Deal“ nur mit einer „starken Schiene“ gelingen könne.
Nötig seien einerseits „Güterverkehrskorridore, die mit der Straße konkurrieren können“, und andererseits „Hochgeschwindigkeits- und Nachtzugverbindungen im Personenverkehr, die mit dem Flugzeug konkurrieren können“, sagte Scheuer. „Der Schlüssel dafür ist unser Konzept TransEuropExpress TEE 2.0, das wir im September 2020 unter deutscher Ratspräsidentschaft vorgestellt haben.“
Vorgesehen ist, dass ein TEE 2.0 mindestens drei Staaten oder zwei Staaten über mehr als 600 Kilometer Strecke verbindet, eine Geschwindigkeit von mindestens 160 km/h auf einem wesentlichen Teil der Strecke erreicht wird oder eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 100 km/h auf der Gesamtstrecke und es zudem einen nach den Worten Scheuers einen „erhöhten Komfort“ gibt – etwa mit Blick auf frei zugängliches WLAN, die Gastronomie oder die Schlaf- und Liegewagen in den Nachtzügen.
„Mit der heutigen Erklärung sagen die Mitgliedstaaten den Eisenbahnunternehmen ihre Unterstützung und ihre Zusammenarbeit zu bei der Entwicklung von schnellen Verbindungen, eines Taktfahrplans oder einer digitalen Buchungsplattform“, erläuterte Scheuer. Die Erklärung beinhaltet demnach „zahlreiche TEE-Strecken“, die schrittweise bis Ende dieses Jahrzehnts umgesetzt werden können. Das TEE-Konzept solle auch „Grundlage für einen Europatakt“ sein, sagte Scheuer. Bei diesem sollten „nationale Taktfahrpläne, wie unser Deutschlandtakt, aufeinander abgestimmt werden“.
Taktfahrpläne sollen für Verbraucherinnen und Verbraucher die Abfahrtszeiten zuverlässiger und planbarer machen und außerdem den Umstieg erleichtern. Zentrales Element ist dabei, dass die Züge jede Stunde in jede Richtung zur selben Minute fahren.
Eine Wiederbelebung des TransEuropExpress hatte Scheuer bereits im vergangenen September angekündigt. Für viele Menschen seien die TEE-Züge noch ein Begriff für „hochwertige internationale Züge durch Westeuropa aus der Vergangenheit“, hatte der Minister damals gesagt.
Die Züge mit ihrem charakteristischen bordeauxrot-beigen Außenanstrich waren zu Zeiten des Wirtschaftswunders in den 50er Jahren ins Leben gerufen worden, als Auto und Flugzeug der Bahn bereits starke Konkurrenz machten und vor allem Geschäftsreisende, die auf Geschwindigkeit und Komfort beim Reisen besonderen Wert legten, sich zunehmend von der Bahn abwandten. Abgelöst wurden die TEE-Züge 1987 durch den Eurocity.
Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) erklärte, eine Verlagerung auf die Schiene klappe „nur dann, wenn das System Schiene an Attraktivität gewinnt“. Nötig sei zum Erreichen der Verlagerungsziele im Verkehrssektor allerdings auch, dass „der Schienenverkehr massiv Rückenwind mit öffentlichen Investitionen und einem innovationsfördernden Regelwerk erhält“, forderte der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch.
Der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) betonte, dass für eine „Mobilitätsrevolution“ Digitalisierung und Automatisierung der Schiene mit mehr Geschwindigkeit vorangetrieben werden müssten. „Die digitale Schiene kann europäische Metropolen bereits heute so schnell verbinden wie Flugzeuge – bei nahezu null Emissionen“, erklärte VDB-Präsident Andre Rodenbeck. „Für den europaweiten Erfolg muss Bahnverkehr jetzt flächendeckend grenzüberschreitend ausgebaut werden.“
Kritik an Scheuers Schienengipfel kam aus den Reihen der Opposition im Bundestag: Der Linken-Klimapolitiker Lorenz Gösta Beutin kritisierte, dass das Streckennetz unter unionsgeführten Bundesregierungen „dramatisch gefleddert“ worden sei. Das TEE-Projekt sei „ferne Zukunftsmusik, es braucht konkrete Projekte jetzt“, forderte er. Der bahnpolitische Sprecher der Grünen, Matthias Gastel, sprach von einem „Gipfel der Unverbindlichkeit“. Der FDP-Abgeordnete Torsten Herbst, Obmann im Verkehrsausschuss, kritisierte die Forderung nach einer TEE-Wiederauflage als „reine Symbolpolitik“.