Der neue Koalitionsvertrag für Baden-Württemberg, den Parteitage von Grünen und CDU am Samstag gebilligt haben, trägt eine deutliche grüne Handschrift. Das alte und neue Regierungsbündnis im Südwesten muss infolge der Corona-Krise zwar mit geringeren Steuereinnahmen rechnen. Allerdings belasten Kernpunkte der Klimapolitik sowie weiterer grüner Anliegen wie die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte und die Herabsetzung des Wahlalters den Staatshaushalt kaum oder gar nicht.
Die CDU musste jedoch von der versprochenen Senkung der Grundsteuer und einem Familiengeld aus Kostengründen Abstand nehmen. Zentrale Punkte:
SCHWERPUNKT KLIMASCHUTZ
Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass in einem neuen Klimaschutzgesetz Fotovoltaikanlagen für private Neubauten und bei Dachsanierungen Pflicht werden. Zudem sollen unkomplizierte Genehmigungsverfahren bis zu tausend Windräder im Staatswald möglich machen und Fotovoltaikanlagen entlang von Bahnstrecken und Autobahnen entstehen.
VERKEHR UND INFRASTRUKTUR
Ein grünes Kernanliegen ist der flächendeckende öffentliche Nahverkehr zwischen fünf und null Uhr. Zudem wird ein landesweites Ein-Euro-Ticket für Kinder, Jugendliche und Auszubildende eingeführt. Finanziert werden soll dies über eine kommunale Nahverkehrsabgabe. Zudem ist eine Maut auf allen Straßen für Lastwagen über siebeneinhalb Tonnen geplant.
BEWÄLTIGUNG VON CORONA-FOLGEN
Mit der teuerste vereinbarte Posten sind hundert Millionen Euro zur Kompensation von Lernrückständen bei Schülern infolge der Corona-Pandemie. Damit sollen aber auch Kunst und Kultur, die vom Lockdown besonders getroffen wurden, unterstützt und ein Programm zur Wiederbelebung von Innenstädten finanziert werden.
STABILITÄT IM BILDUNGSWESEN
Grüne und CDU vereinbarten grundsätzlich, keine tiefgreifenden Reformen im Bildungswesen voranzutreiben. Es bleibt beim achtjährigen Gymnasium und der unverbindlichen Grundschulempfehlung. Bei den Kitas sollen jedoch nach dem Einkommen der Eltern gestaffelte Gebühren eingeführt werden.
STÄRKUNG VON POLIZEI UND SICHERHEITSBEHÖRDEN
Die Koalitionäre wollen die Polizei und die Sicherheitsbehörden stärken. Dazu soll ein Zentrum gegen Cyberkriminalität geschaffen werden. Auch eine anonymisierte Kennzeichnung von Polizisten bei Großeinsätzen soll kommen. Im Vorfeld sorgte bereits ein Antidiskriminierungsgesetz nach Berliner Vorbild bei Polizeigewerkschaften für Aufregung, das in Baden-Württemberg für alle Behörden gelten soll. In der Asylpolitik sollen gut integrierte Flüchtlinge nicht mehr von Abschiebung bedroht sein. Das Land will dafür auch eine Bundesratsinitiative starten.
SCHRITTE ZUR DEMOKRATIEFÖRDERUNG
Baden-Württemberg will als erstes Land bei wichtigen Gesetzesvorhaben Bürgerräte beteiligen, deren Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden. Außerdem wird das Land für die nächste Landtagswahl ein Zwei-Stimmen-Wahlrecht einführen wie es schon bei Bundestagswahlen gilt. Ein Ziel ist, mehr Frauen im Parlament zu haben. Das Wahlalter soll auf 16 Jahre abgesenkt werden.