Le Pen nach Wahlschlappe in Erklärungsnot

Marine Le Pen - Bild: Global Panorama/CC BY-SA 2.0
Marine Le Pen - Bild: Global Panorama/CC BY-SA 2.0

So hatte sich die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen den Stimmungstest für die Präsidentschaftswahl in knapp einem Jahr nicht vorgestellt: Nach ihrem unerwarteten Misserfolg bei der ersten Runde der Regional- und Départementswahlen am Sonntag ist die Herausfordererin von Staatschef Emmanuel Macron stark angeschlagen. Aber auch das Präsidentenlager hat eine Schlappe erlitten. Im Aufwind sehen sich dagegen die traditionellen Volksparteien der Konservativen und Sozialisten.

Verzweiflung drückt sich manchmal in Großbuchstaben aus: „Ihr MÜSST wählen“, rief Le Pen ihren Anhängern über den Onlinedienst Twitter zu. Sie bezog sich damit auf die historisch niedrige Wahlbeteiligung – mehr als 66 Prozent der Wahlberechtigten machten nicht mit. Für die Stichwahlen am kommenden Sonntag gelte nun die Parole: „Zu den Urnen, Patrioten“, schrieb Le Pen.

Doch der Appell der 52-Jährigen kommt zu spät. Nur in einer einzigen der 13 zentralfranzösischen Regionen liegt Le Pens Partei Rassemblement National (RN, Nationale Sammlungsbewegung) nach der ersten Runde vorne. Der Anteil der Rechtspopulisten ist stark geschmolzen, stattdessen liegen die französischen Konservativen vorn.

„Natürlich stellen wir uns Fragen“, sagte Le Pens Stellvertreter Jordan Bardella kleinlaut dem Sender BFM-TV. Der 25-jährige Ziehsohn Le Pens konnte als Spitzenkandidat in der Hauptstadtregion Ile de France ebenfalls nur 13 Prozent holen.

Ein schwerer Fehler war Bardella mit einem Foto unterlaufen, das er am Wahlmorgen in Onlinenetzwerken postete. Darauf beugt er sich für eine Unterschrift vor einer muslimischen Wahlhelferin mit Kopftuch nieder. Von einer „Unterwerfung“ und „Schande“ schrieben daraufhin empörte Anhänger der Rechtspopulisten.

Morgenluft wittern nun vor allem die Konservativen, aber auch die Sozialisten. Die von Macron bei der Präsidentschaftswahl 2017 gedemütigten Volksparteien dürften ihre Bastionen behaupten.

Das konservative Hausblatt „Le Figaro“ sieht bereits eine Rückkehr zum Rechts-Links-Modell in Frankreich, das Macron in seiner Selbstwahrnehmung als „über den Parteien“ stehender Präsident beerdigt glaubte. „Die alte Welt ist immer noch da“, stellt auch der Politologe Bruno Cautrès fest.

Auf den zweiten Blick ist die Lage komplizierter: Denn das gute Abschneiden der Konservativen verschleiert die Spaltung des bürgerlichen Lagers. Einziger erklärter Präsidentschaftskandidat ist bisher der frühere Gesundheitsminister Xavier Bertrand, der die republikanische Partei von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy aus Ärger über einen zu rechten Kurs schon vor Jahren verlassen hatte.

Bertrand sieht sich als Präsident der nordfranzösischen Region Hauts-de-France durch seinen Wahlerfolg bestätigt. In Umfragen zur Präsidentenwahl werden dem 56-Jährigen aber bisher wenig Chancen gegen Macron und Le Pen eingeräumt. Vor allem gegen Le Pen fehlt ihm der Biss – auch wenn Bertrand glaubt, durch das Wahldebakel sei ihrer Partei „das Kiefergelenk gebrochen“.

Wen die Republikaner ins Präsidentschaftsrennen schicken, ist noch offen. Sie wollen ihren Kandidaten bis zum Herbst durch eine Umfrage bei 15.000 Menschen bestimmen. Dabei haben die Regionalwahlen erneut gezeigt, wie trügerisch Umfragen sein können.

Bei den Sozialisten läuft sich die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo warm, die in der Hauptstadt mit den Grünen koaliert. Ob sie Chancen hat, 2022 erste Präsidentin des Landes zu werden, ist aber ungewiss.

Ganz klar haben diese Wahlen nur eines gezeigt: Die Politikverdrossenheit, die sich vor rund zwei Jahren in den „Gelbwesten“-Protesten ausdrückte, hat sich in der Corona-Pandemie in Frankreich noch verstärkt.

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