Rechnungshof macht Spahn-Ressort wegen Masken-Beschaffung schwere Vorwürfe

FFP2-Maske - Bild: axel.bueckert via Twenty20
FFP2-Maske - Bild: axel.bueckert via Twenty20

Die massenhafte Beschaffung von Schutzmasken in der Anfangsphase der Corona-Pandemie bringt dem Bundesgesundheitsministerium weitere Vorwürfe ein. In einem Bericht für den Haushaltsausschuss moniert der Bundesrechnungshof, das Ressort habe den Bedarf auf Grundlage von „sachfremden und unrealistischen“ Annahmen berechnet und letztlich viel zu viele Masken gekauft. Der ganze Prozess wird in dem Bericht als schwer nachvollziehbar dargestellt. Das Ministerium wehrt sich, SPD und Opposition fordern Aufklärung.

Der Rechnungshofbericht mit dem Titel „Prüfung der zentralen Beschaffung von persönlicher Schutzausrüstung für das Gesundheitswesen“ lag der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag vor; zuerst hatte der „Spiegel“ darüber berichtet.

Den Prüfern zufolge verfügte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) unter Jens Spahn (CDU) zwar über eine „sachgerechte“ Bedarfsermittlung in Bezug auf Schutzmasken für Beschäftigte im Gesundheitssystem. Doch darüber habe sich das Ressort bei der Beschaffung „offenbar bewusst“ hinweggesetzt. In einer Stellungnahme verweise das Ministerium darauf, „intern von einem vollkommen anderen Bedarf ausgegangen zu sein“. Dies sei „für den Bundesrechnungshof nicht nachvollziehbar“.

Bei sogenannten partikelfiltrierenden Halbmasken – also etwa FFP2-Masken – habe das Ministerium eine Milliarde Stück aus dem Ausland beschafft. Das sei „das Dreizehnfache des ermittelten Mindestbedarfs“ und das Achtfache der Menge, die bisher ausgeliefert worden sei. Bei einfachen OP-Masken seien 1,6 Milliarden Stück importiert worden – „das Achtfache des Mindestbedarfs und mehr als das Vierfache der erfassten Auslieferungsmenge für die Krankenhäuser und Arztpraxen“.

Insgesamt seien über alle Beschaffungswege und Maskentypen hinweg 5,8 Milliarden Schutzmasken besorgt worden. Dies übersteige „selbst einen vom BMG auf der Grundlage sachfremder Annahmen berechneten Jahresbedarf von 4,7 Milliarden Schutzmasken noch um 23 Prozent“, moniert der Rechnungshof. Es seien dafür 6,3 Milliarden Euro ausgegeben worden. Hinzu kämen „Annexkosten“ von bislang 320 Millionen Euro, die durch „Rechtsstreitigkeiten und Entsorgungskosten“ weiter ansteigen könnten. Die „Überbeschaffung“ und die „Annexkosten“ seien „vermeidbar“ gewesen.

Der Aktenführung im Ministerium stellt die Behörde ein miserables Zeugnis aus: „Viele Entscheidungen und Einzelmaßnahmen sind im BMG unzureichend dokumentiert und lassen sich nicht nachvollziehen.“

Das Ministerium verschickte als Reaktion auf den Bericht eine vierseitige Stellungnahme. Darin heißt es, wegen der Neuartigkeit des Coronavirus „lagen zum Zeitpunkt der Bedarfsermittlung weder valide wissenschaftliche Erkenntnisse noch entsprechende Erfahrungswerte vor“. Das Ministerium habe „unterstützt von Expertise einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft“ Maßnahmen für eine „möglichst präzise Bedarfsermittlung und Steuerung der Beschaffungsmengen getroffen“.

Der SPD-Haushaltsexperte Dennis Rohde erklärte, der Prüfbericht sei „ein erneuter Beleg für das Managementversagen“ im Gesundheitsministerium. Spahn müsse „jetzt mal wieder schnell viele Fragen beantworten“.

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer forderte eine umfassende Untersuchung. „Kanzlerin Merkel muss einen Sonderermittler einsetzen“, erklärte er. Nötig sei auch ein Untersuchungsausschuss in der nächsten Legislaturperiode.

Der Linke-Gesundheitspolitiker Achim Kessler urteilte, die Bundesregierung schaffe es offensichtlich nicht, „bei den Skandalen bei der Maskenbeschaffung“ für Transparenz zu sorgen. Das sei ein „unhaltbarer“ Zustand.

Grünen-Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink konstatierte „ein eklatantes Koordinationsversagen“ im Gesundheitsministerium. „Jens Spahn hat als zuständiger Minister in der Corona- Pandemie den notwendigen Überblick über die Situation sowie die Steuerung vollkommen verloren.“

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