Washington fordert „dringend“ Verschiebung von EU-Vorschlag für Digitalsteuer

Weißes Haus, USA
Weißes Haus, USA

Die US-Regierung hat die EU eindringlich aufgefordert, einen Mitte Juli geplanten Vorschlag für eine europäische Steuer auf Digitalunternehmen zu verschieben. Washington verweist in einem der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch vorliegenden Dokument darauf, dass entsprechende Pläne die laufenden internationalen Gespräche für eine globale Mindestbesteuerung von Unternehmen „in Gefahr bringen“ könnten. Das Schreiben ging laut Diplomaten nur an eine Handvoll EU-Hauptstädte, darunter auch an Berlin.

Diese Regierungen sollen verhindern, dass die EU-Kommission wie geplant am 14. Juli einen Vorschlag für eine europäische Digitalsteuer vorlegt. Die Bundesregierung und andere Hauptstädte werden „dringend“ aufgefordert, entsprechend auf die anderen EU-Mitgliedstaaten und die Kommission einzuwirken. Denn das Timing des Kommissionsvorschlags berge die Gefahr, die internationalen Verhandlungen „an einem sensiblen Punkt völlig entgleisen zu lassen“, heißt es.

Ziel des US-Vorstoßes zur Verschiebung des Kommissionsvorschlags seien neben Deutschland auch die Niederlande und weitere nordeuropäische Länder gewesen, sagten Diplomaten AFP. Ziel waren damit Länder, die schon ein früheres Vorhaben zu einer europäischen Digitalsteuer verhindert hatten.

Derzeit laufen im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der G20-Staatengruppe Gespräche über eine globale Mindestbesteuerung. In die schwierigen Verhandlungen war im Mai Bewegung gekommen, nachdem die USA einen Besteuerungssatz von mindestens 15 Prozent vorgeschlagen hatten. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte sich darauf zuversichtlich gezeigt, dass nun ein Durchbruch auf internationaler Ebene erzielt werden könne.

Die USA betrachten die EU-Pläne für eine Digitalsteuer mit großem Misstrauen und reagierten auf eine nationale Digitalsteuer in Frankreich mit Strafzöllen. Denn praktisch alle Großunternehmen aus diesem Bereich kommen aus den Vereinigten Staaten.

Die EU-Kommission betont zu ihren Plänen, diese würden tausende Unternehmen treffen und nicht nur US-Konzerne. In dem US-Schreiben wird aber darauf verwiesen, dass „wichtige Interessengruppen“ den Vorstoß als „einseitige Maßnahme“ interpretieren würden, bevor eine endgültige Einigung auf OECD- und G20-Ebene erzielt werden könne. Diese wird demnach bis Oktober angestrebt.

Politisch brisant wäre eine Verschiebung für die Kommission, weil die Digitalsteuer nun eine der neuen Einnahmequellen der EU werden soll, mit der die gemeinsamen europäischen Schulden für den 750 Milliarden Euro schweren Corona-Hilfsfonds zurückgezahlt werden sollen. Das EU-Parlament hatte Ende April gefordert, die europäischen Pläne unabhängig von den internationalen Verhandlungen voranzutreiben. Scheiterten diese soll demnach die EU-Digitalsteuer bis Ende 2021 eingeführt werden.

In Washington wollten sich weder Außen- noch Finanzministerium zu dem Papier äußern. Die USA konzentrierten sich darauf, „eine multilaterale Lösung“ in der Frage internationaler Besteuerung zu finden, sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Die schließe auch „unsere Bedenken bei Steuern für digitale Dienstleistungen“ ein.

Die Anfrage aus Washington kommt nur wenige Wochen nach einem EU-US-Gipfel, bei dem mit Präsident Joe Biden ein Neustart der Beziehungen nach den schwierigen Jahren unter dessen Vorgänger Donald Trump vereinbart wurde. Beide Seiten verkündeten dabei auch einen fünfjährigen Burgfrieden im Streit um Subventionen für ihre Flugzeugbauer Airbus und Boeing.

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