Vor der US-Wahl werden die Pistolen knapp

Symbolbild: US-amerikanische Liebe zu Waffen
Symbolbild: US-amerikanische Liebe zu Waffen

Zum 36. Hochzeitstag haben sich Brenda Dumas und ihr Mann etwas Besonderes gegönnt: Einen Schießkurs in der Boondocks Firearms Academy, einem Vorort von Jackson im Bundesstaat Mississippi. Breitbeinig und mit Gehörschutz zielt Dumas mit ihrer funkelnagelneuen Pistole auf eine Pappscheibe. „Haut rein!“, feuert der Ausbilder sie an.

„Ich möchte mich schützen können“, sagt die weiße Frau. „Wegen der ganzen Gewalt, die man im Fernsehen sieht, fühle ich mich nicht mehr so sicher.“ Deshalb hat Dumas sich die erste Waffe ihres Lebens zugelegt.

Sie ist nicht allein: Angeheizt durch die Corona-Pandemie und die teilweise von Gewalt begleiteten Anti-Rassismus-Proteste sind die Waffenverkäufe in den USA vor der Präsidentschaftswahl am 3. November deutlich angestiegen. 

Ein von Trump gerne aufgegriffenes Wahlkampfthema: US-Präsident Donald Trump bezichtigt seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden immer wieder, das im zweiten Zusatzartikel zur US-Verfassung verankerte Recht auf Waffenbesitz abschaffen zu wollen – eine falsche Anschuldigung, mit der er seine Wählerbasis mobilisieren will. Dabei will Biden in erster Linie den Verkauf von Sturmgewehren stoppen.

Schon das geht in dem Land, in dem rund 30 Prozent aller Erwachsenen eine Waffe besitzen, vielen zu weit. „Wir wollen unsere im zweiten Verfassungszusatz garantierten Rechte behalten“, sagt Alycia Brewer, während sie in der Boondocks Academy ihr neues AR-15-Sturmgewehr testet.

2000 Kilometer entfernt in New York stehen die Kunden vor dem Waffengeschäft Coliseum Gun Traders Schlange. Al Materazo will neue Munition kaufen. „Waffen gehörten bis vor kurzem noch nicht zu meinem Lebensstil“, sagt er. Wegen der Corona-Pandemie kaufte er sich jedoch im Februar sein erstes Gewehr.

„Ich dachte sofort, dass die Einbrüche zunehmen würden, weil die Leute ihre Arbeit verlieren und weniger Geld haben“, begründet er seine Entscheidung. „Ich wollte in der Lage sein, meine Familie zu schützen.“ Inzwischen hat er sich eine zweite Waffe besorgt – „wegen des politischen Klimas und der Unruhen“.

Auch Edwin Tavares wartet vor dem Waffenladen. Dem 51-Jährigen macht die Zunahme der Kriminalität Sorgen. In New York City stieg die Zahl der Morde in den ersten neun Monaten des Jahres um 40 Prozent, die der Schießereien um 91 Prozent. „Es scheint nun an uns, die Kriminalität zu bekämpfen“, sagt der Hispanoamerikaner.

Ladeninhaber Andrew Chernoff kann den Ansturm kaum fassen. „Das geht schon seit Februar so, es ist verrückt“, sagt er. Menschen jeden Alters und aller Berufsgruppen deckten sich mit Waffen ein. „Von 18 bis 80 Jahren, vom Müllwagenfahrer bis zum Büroangestellten.“

„Die Waffenhersteller kommen kaum noch hinterher“, sagt Chad Winkler, der Leiter der Schießschule Boondocks in Mississippi. „Im ganzen Land sind Waffen und Munition knapp.“ Die Preise schnellen in die Höhe: Ein Kursteilnehmer habe 800 Dollar (680 Euro) für ein halbautomatisches Gewehr bezahlt, das normalerweise 499 Dollar koste, sagt Winkler.

Die Statistik der Bundespolizei bestätigt den Ansturm. 2019 beantragten im Schnitt 2,3 Millionen US-Bürger jeden Monat die für den Waffenkauf notwendige Zuverlässigkeitsprüfung. Im Juni diesen Jahres waren es 3,9 Millionen Anträge – so viele wie nie zuvor.

Branchenexperten erwarten aber einen Rückgang nach der Wahl. Winkler sagt, dass es vor Wahlen grundsätzlich eine Zunahme von Käufen gebe, weil Waffenbesitzer striktere Gesetze nach der Wahl befürchten würden.

Die Waffenverkäufer freuen sich derweil über das Geschäft ihres Lebens. „Das wird ein Glücksjahr für unsere Branche“, sagt der New Yorker Ladenbesitzer Chernoff. „Aber wenn man es als Spiegel dessen betrachtet, was im Land passiert, ist es eigentlich traurig.“

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