Adrian S. gesteht! „Ich habe auf alles geschossen, was sich bewegt hat“

Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit
Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit

Ich habe auf alles geschossen, was sich bewegt hat, in dem Moment.“ Der hagere junge Mann mit dem zerknitterten Hemd und den verwuschelten Haaren spricht überlegt und in gewählten Worten, als er berichtet, wie er im Januar seine Eltern, seine Geschwister und zwei weitere Verwandte teilweise mit gezielten Kopfschüssen tötete. Seit Montag muss sich Adrian S. wegen des Sechsfachmordes von Rot am See vor Gericht verantworten. Entscheiden müssen die Richter insbesondere, ob sie den 27-Jährigen für schuldfähig halten.

Er habe einen Mord begangen, erklärt der Angeklagte am ersten Prozesstag im lichten Saal des Ellwanger Landgerichts und korrigiert sich: „sechs Morde“. Das Motiv sei Rache gewesen – an seiner Mutter, die ihn habe vergiften wollen, an seiner Schwester, die nichts dagegen getan habe, und an seinem Vater, der seiner Mutter hörig gewesen sei. 

Alle drei erschießt Adrian S. Ende Januar im kleinen Städtchen Rot am See in Baden-Württemberg, als sich die Familie versammelt, um am nächsten Tag zur Beerdigung der Großmutter zu fahren. Aber auch seinen Halbbruder und einen Onkel und eine Tante, zu denen er ein gutes Verhältnis gehabt haben will, fallen an diesem Tag seinem Wüten zum Opfer. Zwei weitere Familienmitglieder werden schwer verletzt. Nur seinen 14-jährigen Neffen verschont er, der vor Gericht über den Angeklagten sagt: „Er wirkte wie weggetreten.“

Es spricht viel dafür, dass sich der junge Mann schon seit Jahren in einem Wahngebäude verschanzt hat. Die Staatsanwaltschaft vermutet eine psychotische Schizophrenie, und auch der psychiatrische Gutachter Peter Winckler geht davon aus, dass es keine Vergiftungsversuche gegeben hat.

Aber Adrian S. will das auch heute nicht glauben. Eine angeborene Fehlbildung seiner Harnröhre und der Hoden führt er auf die Vergiftungsversuche seiner Mutter noch während der Schwangerschaft zurück. Auch später habe sie versucht, ihm ein weißes Pulver ins Essen zu mischen. 

Jahrelang will er das verdrängt haben. Die Eltern leben seit seiner frühesten Kindheit getrennt, Adrian S. wuchs zunächst bei seiner Mutter im badischen Lahr auf. Nach einem ersten gescheiterten Studium in Aachen zieht er zu seinem Vater nach Rot am See, will in Stuttgart Betriebswirtschaftslehre studieren. Das Studium gibt er bald wieder auf, doch sein Vater denkt, er sei weiter eingeschrieben. 

Stattdessen verbarrikadiert Adrian S. sich zunehmend in seinem Zimmer. Er bringt Überwachungskameras an, hört die Telefongespräche des Vaters ab und verriegelt die Tür mit einem Holzbalken. Die Tage verbringt er mit Computerspielen. Familienmitglieder sagen, er sei schon immer „computersüchtig“ gewesen.

Spätestens ein Jahr vor der Tat sei er nur noch von dem Gedanken beherrscht gewesen, seine Mutter und seine Schwester zu töten, sagt Adrian S. vor Gericht. Tatsächlich trat er schon zwei Jahre zuvor einem Schützenverein bei, um so legal das Schießen zu lernen. Mit seiner Waffenbesitzkarte als Sportschütze besorgt er sich in Nürnberg eine Pistole und Munition.

Im Ellwanger Gerichtssaal sitzt Adrian S. an diesem ersten Prozesstag den überlebenden Opfern seiner Tat gegenüber. Heute tue ihm leid, was er getan hat, sagt Adrian S. Ich würde es gerne ungeschehen machen, aber es gebe „große Unterschiede, was das Maß der Reue angeht“. 

Ist dieser Mann so krank, dass er für seine Tat nicht verantwortlich gemacht werden kann, oder einfach ein gefühlskalter Täter? Über diese Frage wird das Gericht mit Hilfe eines des psychiatrischen Gutachtens zu entscheiden haben, das am fünften Prozesstag vorgestellt werden soll. 

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