Jan Marsalek: Der undurchsichtige Manager im Skandal um Wirecard

Jan Marsalek war weltweit unterwegs und einer der Köpfe von Wirecard, doch bekannt ist wenig über den mittlerweile flüchtigen Ex-Manager des insolventen Münchner Dax-Konzerns. Als Ex-Vorstand für das operative Geschäft gilt er als mögliche Schlüsselfigur im Fall verschwundener Milliardensummen und vermeintlich geschönter Bilanzen. Doch nicht nur seine Rolle im Wirecard-Skandal ist dubios – auch der flüchtige Österreicher selbst bleibt unnahbar.

Vieles aus Marsaleks Privatleben und seinen geschäftlichen Projekten ist nur aufgrund von Medienrecherchen bekannt oder bleibt Spekulation. Aus der Öffentlichkeit hielt sich der 40-Jährige nach Möglichkeit heraus. Unter Bekannten und Geschäftspartnern ist aber auch von Partys und Prahlerei die Rede.

Marsalek soll weder studiert noch das Abitur absolviert haben. Dennoch kam im Jahr 2000 als Projektmanager für Zahlungssysteme zu Wirecard. Später arbeitete er in der IT und der Produktentwicklung und leitete nach Angaben von Wirecard nicht näher genannte „Tochterunternehmen im Konzern“. 2009 übernahm Marsalek demnach „Leitungsfunktionen im Vertrieb“. Im Februar 2010 stieg er schließlich in den Konzernvorstand auf.

Dort war der Österreicher eigentlich bis Ende dieses Jahres als Manager des Tagesgeschäfts oder sogenannter Chief Operating Officer (COO) bestellt. Doch es kam anders: Im Zuge des Bilanz-Skandals bei Wirecard wurde Marsalek am 18. Juni freigestellt und wenige Tage später entlassen.

Wirecard hatte eingestanden, dass in der Jahresbilanz 1,9 Milliarden Euro fehlten und das Geld bei zwei philippinischen Banken vermutlich gar nicht existierte. Der Börsenkurs des Dax-Konzerns stürzte ab, Wirecard meldete Insolvenz an.

Marsalek tauchte unter und wird laut Medienberichten per Haftbefehl gesucht. Die Staatsanwaltschaft München I, die im Fall Wirecard ermittelt, wollte sich nicht zu einer Fahndung äußern. Fest steht: Zumindest derzeit will der Manager nicht mit der Justiz kooperieren – anders als der ehemalige Wirecard-Chef Markus Braun, der gegen Kaution von fünf Millionen Euro momentan auf freiem Fuß ist.

Das „Manager Magazin“ schrieb Marsalek Anfang Juli noch einen dreistelligen Millionenbetrag zu. Was mit dem Geld passierte, ist unklar. Marsalek selbst befinde sich unter Aufsicht des russischen Militärgeheimdienstes GRU auf einem Anwesen westlich von Moskau, berichtete jüngst das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Unternehmer-, Justiz- und Diplomatenkreise.

Nach gemeinsamen Recherchen des „Spiegel“ und der Rechercheplattform Bellingcat landete Marsalek bereits in der Nacht nach seiner Freistellung auf dem Flughafen der weißrussischen Hauptstadt Minsk, von dort könnte er unbemerkt nach Russland gelangt sein. Dorthin reiste er laut Bellingcat mehr als 60 Mal in den vergangenen zehn Jahren. Für seine Flüge rund um den Globus nutzte er demnach eine ganze Reihe von Reisepässen.

Die „New York Times“ berichtete von einem Doppelleben des öffentlich zurückhaltenden Managers und „unüblichen“ persönlichen Investitionen abseits der europäischen Finanzbranche. Bei Recherchen und Gesprächen mit Geschäftspartnern stieß die Zeitung unter anderem auf Verbindungen nach Libyen: Neben wirtschaftlichen Beteiligungen in dem Bürgerkriegsland soll sich Marsalek besonders für den Aufbau einer 15.000 Mann starken Grenzmiliz interessiert haben.

Auch Verbindungen zu mehreren Geheimdiensten, allen voran dem russischen GRU, werden ihm von zahlreichen Medien nachgesagt. Dabei ist sogar von einer Reise nach Syrien und Insiderwissen über den Giftanschlag auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien die Rede.

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