In einer richtungsweisenden Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster am Montag per Eilbeschluss den Corona-Lockdown im Kreis Gütersloh vorläufig außer Vollzug gesetzt. Die Fortschreibung der Einschränkungen des öffentlichen Lebens im gesamten Kreisgebiet Gütersloh sei nach der Prüfung im Eilverfahren voraussichtlich rechtswidrig gewesen, befand das Gericht. Es sei „möglich und erforderlich“ gewesen, eine „differenziertere Regelung“ zu erlassen. (Az. 13 B 940/20.NE)
Von dem Urteil könnte Signalwirkung ausgehen, weil demnach ein Lockdown künftig in Nordrhein-Westfalen nicht mehr automatisch für einen gesamten Landkreis angeordnet werden kann. Bundesweit gilt derzeit die Regelung, dass Einschränkungen des öffentlichen Lebens beim Erreichen einer kritische Marke von 50 Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen verfügt werden.
Nach dem massiven Corona-Ausbruch beim Fleischbetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrück hatten die Behörden zunächst einen Lockdown für den Kreis Gütersloh und für den Nachbarkreis Warendorf verfügt.
Für den Kreis Warendorf wurde der Lockdown später aufgehoben, für den Kreis Gütersloh wurde er dagegen um eine weitere Woche bis einschließlich Dienstag dieser Woche verlängert. Festgeschrieben wurde dies in einer zweiten Corona-Regionalverordnung.
Gegen diese Verordnung zog nun eine Firma aus Oelde im Kreis Warendorf vor Gericht, die im Kreis Gütersloh Spielhallen unter anderem in Schloß Holte Stukenbrock und Versmold betreibt. Dem Eilantrag dieser Firma gab das OVG nun statt.
Die Münsteraner Richter befanden, es sei nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht mehr mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu vereinbaren, dass sich der Geltungsbereich der entsprechenden Verordnung auf das gesamte Gebiet des Kreises Gütersloh erstreckte.
Zwar sei es zu Beginn des in Rheda-Wiedenbrück lokalisierten Ausbruchsgeschehens nicht zu beanstanden gewesen, dass die Behörden für den gesamten Kreis kurzfristig strengere Schutzmaßnahmen als für andere Regionen Nordrhein-Westfalens ergriffen habe. Die Behörden hätten so Zeit für Aufklärungsmaßnahmen gewinnen dürfen, um anschließend auf belastbarer Grundlage über die weitere Vorgehensweise zu entscheiden können.
Später hätte aber eine differenziertere Regelung erlassen werden müssen. Laut den Ergebnissen der seit Entdeckung des Ausbruchs vorgenommenen Massentests unter den Einwohnern des Kreises Gütersloh variiere die Verteilung der bestätigten Neuinfektionen innerhalb der kreisangehörigen Städte und Gemeinden erheblich.
Insbesondere in den Städten im Norden und Osten des Kreises seien nur wenige Neuinfizierungen festgestellt worden. Vor diesem Hintergrund sei nicht mehr ersichtlich, dass sich die dortige Gefährdungslage signifikant von derjenigen in anderen außerhalb des Kreisgebietes gelegenen Städten und Gemeinden vergleichbarer Größenordnung unterscheide. Der Beschluss ist unanfechtbar.