Die Grünen haben die Koalitionseinigung zum Wahlrecht scharf kritisiert und Union und SPD vorgeworfen, eine Verfälschung des Wählerwillens in Kauf zu nehmen. „Das Zweitstimmenergebnis wird verzerrt“, sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann am Mittwoch und kündigte ein Nein ihrer Fraktion zu dem Vorhaben im Bundestag an. Hintergrund ist, dass drei Überhangmandate, die nach jetzigem Stand der CDU/CSU zufallen dürften, nicht ausgeglichen werden sollen.
Haßelmann äußerte sich vor allem erstaunt über die Zustimmung der SPD, die solche Zusatzmandate für die Union im Vorfeld der Koalitionsberatungen vom Dienstag noch strikt abgelehnt hatte. Die Sozialdemokraten seien damit „vom Grundsatz des Vollausgleichs der Überhangmandate weggegangen“, wovon nun voraussichtlich bei der Mandatsverteilung „die CDU profitiert“. Sie warf den Koalitionsparteien vor, sich ihre „Handlungsunfähigkeit schönzureden“.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Vorschlag die Zustimmung der Grünen findet“, stellte Haßelmann klar. Sie äußerte auch grundsätzliche Bedenken dagegen, dass die Koalitionsparteien eine so grundlegende Angelegenheit wie eine Wahlrechtsreform gegen den Widerstand der Opposition offensichtlich mit ihrer Mehrheit im Bundestag „einfach durchziehen“ wollen. Dies widerspreche der bislang üblichen Praxis.
Die Grünen-Politikerin äußerte zudem Zweifel, ob sich mit den Koalitionsplänen das erklärte Ziel, eine weitere Aufblähung des Bundestages durch Überhang- und Ausgleichsmandate zu verhindern, überhaupt erreichen lässt. Dies wollen Union und SPD neben dem Verzicht auf den Ausgleich für die drei Überhangmandate dadurch erzielen, dass Überhangmandate über die Bundesländer hinweg stärker mit Listenmandaten verrechnet werden sollen.
Ein solches Verfahren schlagen auch Grüne, FDP und Linke in ihrem gemeinsamen Vorschlag für eine Wahlrechtsreform vor, sie verknüpfen dies jedoch mit einer deutlichen Verringerung der Zahl der Wahlkreise. Ohne den zweiten Punkt „kann ich mir nicht vorstellen, dass es einen Effekt gibt“, sagte Haßelmann.
Die Parlamentsgeschäftsführerin kritisierte zudem, dass die Koalition weder für 2021 eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre anpacken will, noch sich ein Ansatz für mehr Geschlechterparität im Bundestag abzeichne. Derzeit gibt es dort einen hohen Männerüberschuss.