Zeige mir, wie du baust, und ich sage dir, wer du bist“, schrieb einst Christian Morgenstern. Sollte er Recht haben, läge die Schlussfolgerung bei Markus Söder und Armin Laschet auf der Hand: Hier der bayerische Potentat und CSU-Ministerpräsident Söder, der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) jüngst prunkvoll auf Schloss Herrenchiemsee empfing, dort Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Laschet, der beim Kanzlerinnen-Besuch am Dienstag preußische Neorenaissance und viel Industriegeschichte ins Bild rückte.
Unterschiedlicher konnten die optischen Botschaften kaum sein, die der Unionskanzlerkandidaten-Umfragekönig Söder sowie der CDU-Vorsitzbewerber und damit ebenfalls potenzielle Kanzlerkandidat Laschet bei den Merkel-Besuchen in ihren Bundesländern aussandten. Söder bat Merkel vor fünf Wochen zur Bootsfahrt auf dem Chiemsee mit anschließender Kutschtour im Schlosspark, Laschet führte die Kanzlerin ins vergleichsweise bescheidene Düsseldorfer Ständehaus und besuchte mit ihr anschließend das Unesco-Weltkulturerbe Zeche Zollverein in Essen.
Angesichts der augenfälligen optischen Unterschiede ihrer Besuche in Bayern und Nordrhein-Westfalen musste sich Merkel in ihrer Pressekonferenz mit Laschet prompt der Frage stellen, ob sie sich denn nach der Kutsch- und Bootsfahrt vor fünf Wochen mit Söder nun in Nordrhein-Westfalen überhaupt angemessen willkommen geheißen fühle. Die Kanzlerin antwortete lächelnd: „Glücklicherweise bin ich ein Mensch, der sich an ganz verschiedenen Dingen erfreuen kann.“
Erwartungsgemäß keine Überraschung gab es bei der Kanzlerinnen-Visite auch in der Frage, wen Merkel denn nun für ihre Nachfolge im Kanzleramt am geeignetsten hält. „Ich habe immer gesagt, ich mische mich in die Nachfolge der Positionen, die ich habe oder hatte, nicht ein“, gab die Regierungschefin zu Protokoll.
Laschet kandidiere für den CDU-Vorsitz und bringe als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen vielfältige Qualifikationen für dieses Amt mit. Alles andere müssten die Delegierten auf dem CDU-Wahlparteitag entscheiden, sagte die Kanzlerin. Im Dezember soll es soweit sein: Nach jetzigem Stand treten dann Laschet, der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz und der Außenpolitiker Norbert Röttgen gegeneinander an.
Offen ist aber vermutlich auch danach noch, wer im kommenden Jahr als Kanzlerkandidat für die Union antritt. Merkel lobte in Düsseldorf ausdrücklich Laschets Regierungsarbeit – auch seine jüngsten Schritte im Kampf gegen eine erneute Ausbreitung des Coronavirus. Immerhin hatte der lange als Zauderer in der Corona-Krise kritisierte NRW-Ministerpräsident mit seinem Kabinett zuletzt eine Maskenpflicht für die älteren Schüler sogar während des laufenden Unterrichts verfügt. Merkel nannte dies „sehr konsequent“.
Grundsätzlich fügte sie hinzu, wer das größte Bundesland regiere und in einer Koalition aus CDU und FDP effizient arbeite, bringe zumindest „Rüstzeug“ mit, „das durchaus Gewicht hat“. Überbewerten sollte das allerdings niemand – vor fünf Wochen hatte sie über Söder geurteilt: „Ich kann nur sagen, Bayern hat einen guten Ministerpräsidenten.“
Sollte es tatsächlich am Ende um die Frage gehen, ob Söder oder Laschet Kanzlerkandidat wird, dürfte der weitere Umgang mit der Corona-Krise entscheidend sein. Am Krisenmanager-Image Söders kratzte zuletzt die Panne bei bayerischen Teststationen, als es bei der Information der Betroffenen zu Verzögerungen kam. Der Regierungsalltag in der Corona-Krise dürfte am Ende auch in der Kanzlerkandidatenfrage wichtiger sein als die Bilder von Kabinettsbesuchen.