Putins unermüdlicher Widersacher kämpft um sein Leben

Symbolbild: Flasche mit flüssigem Gift
Symbolbild: Flasche mit flüssigem Gift

Seit rund einem Jahrzehnt kämpft Alexej Nawalny gegen Korruption und die Machtfülle von Russlands Präsident Wladimir Putin – und hat dafür mehrmals mit seiner Freiheit und sogar seiner Gesundheit bezahlen müssen. Der charismatische Anwalt, der in Yale studiert hat, wurde am Donnerstag in ein Omsker Krankenhaus eingeliefert und muss künstlich beatmet werden. Sein Umfeld geht davon aus, dass er vergiftet wurde. Sollte dies stimmen, wäre es nicht der erste Anschlag auf Leib und Leben des 44-Jährigen.

Mehrfach wurde der bekannte Aktivist inhaftiert und körperlich angegriffen. 2017 musste er sich einer Augen-OP unterziehen, nachdem er nach einer Attacke auf der Straße fast erblindet war. Dennoch hat er stets geschworen weiterzumachen.

Nawalny hat sich durch Online-Videos, in denen er die Korruption der russischen Elite aufdeckt, eine junge Anhängerschaft erarbeitet. Unter anderem machten er und sein Team Details der palastartigen Anwesen von Putins Verbündeten publik – eine der Prunkvillen verfügt etwa über einen klimatisierten Raum nur für Pelzmäntel. 

Mit seiner kompromisslosen Rhetorik und scharfzüngigen Bemerkungen sorgt er immer wieder für Aufsehen – so nennt er etwa Putins Regierungspartei konsequent „Partei der Gauner und Diebe“. 2011 stand er an der Spitze der Massenproteste, als in Moskau Zehntausende auf die Straßen gingen, um gegen Wahlfälschungen bei der Parlamentswahl zu demonstrieren. 

Zwei Jahre später kandidierte der zweifache Vater für das Amt des Moskauer Bürgermeisters, musste sich aber Putins Verbündetem Sergej Sobjanin geschlagen geben. 2017 beschuldigte er den damaligen Regierungschef Dmitri Medwedew in einer Youtube-Dokumentation massiver Korruption und trat damit eine neue landesweite Protestwelle los.

Mehrfach musste sich Nawalny in umstrittenen Prozessen vor Gericht verantworten, die seine Anhänger als reine Vergeltungsakte für sein politisches Engagement werten. So wurde er etwa 2013 wegen Veruntreuung von Geldern bei einem staatlichen Unternehmen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und durfte fünf Jahre lang nicht für ein politisches Amt kandidieren. Damit durfte er auch nicht bei der Präsidentschaftswahl 2018 gegen Amtsinhaber Putin antreten.

Doch trotz der latenten Unzufriedenheit insbesondere der jungen Mittelschicht in den Städten ist Nawalny alles andere als eine Oppositionsfigur für die Massen. Viele Russen glauben der Regierungsdarstellung, dass er ein Gauner und ein Strohmann des Westens sei. Auch seine nationalistische Rhetorik und die Teilnahme an Aufmärschen ausländerfeindlicher Gruppierungen sorgen bei vielen für Empörung.

Präsident Putin weigert sich beharrlich, Nawalnys Namen in der Öffentlichkeit auszusprechen. Wird er direkt nach dem Oppositionellen gefragt, umschifft er den Namen meist mit Umschreibungen wie „die Person, die Sie erwähnt haben“.

Sein größter Coup gelang Nawalny im vergangenen Jahr bei den Kommunalwahlen, als zahlreiche Wähler seiner Taktik des „Smart Voting“ folgten und jeweils den aussichtsreichsten Oppositionskandidaten unterstützten. Die Regierungspartei verlor daraufhin im Moskauer Stadtrat mehrere Sitze.

Nach der Wahl wurden Nawalnys Büros wiederholt durchsucht und seine Anti-Korruptions-Stiftung von einem Gericht wegen „ausländischer Agententätigkeit“ zu mehreren hohen Geldstrafen verurteilt. Doch auch dieses Mal gab der Aktivist, der von sich selbst sagt, er habe sein Wissen über politische Taktik aus der US-Serie „House of Cards“, nicht auf. 

In den vergangenen Tagen bereiste er Russland, um die Wahl von Putin-Unterstützern bei den landesweiten Regionalwahlen im September zu verhindern. Am Donnerstag war er auf dem Weg von Tomsk nach Moskau, doch dort kam er nie an. Das Flugzeug musste notlanden, als der bekannte Kreml-Kritiker plötzlich das Bewusstsein verlor und mit mutmaßlichen Vergiftungssymptomen in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste.

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