Deutsche Umweltverbände sehen die klimapolitischen Ankündigungen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als positiven Schritt, der jedoch nicht ausreiche. Greenpeace Deutschland kritisierte am Mittwoch in Hamburg vor allem eine geplante Änderung des Verrechnungsmodus. Demnach sollten Treibhausgasemissionen im Energie- oder Verkehrssektor mit den Effekten beispielsweise von Aufforstungen gegengerechnet werden können.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Morgen angekündigt, die Kommission wolle den Treibhausgasausstoß der Union bis 2030 um „mindestens 55 Prozent“ verglichen mit dem Stand von 1990 verringern. Bislang lautet die Zielvorgabe minus 40 Prozent.
„Es ist höchste Zeit, dass die Europäische Union ihre Klimaschutz-Ziele anhebt“, erklärte dazu die Greenpeace-Klimaexpertin Lisa Göldner. „Die Zeit für klimaschädliche Technologien wie Verbrennungsmotoren läuft ab“, verwies sie auf die sich weiter verschärfende Klimakrise.
„Doch von der Leyens Vorschlag springt zu kurz“, kritisierte Göldner die Kommissionspräsidentin. „Erstmalig die CO2-Speicherkapazität von Wäldern, die ohnehin durch die Klimakrise stark angegriffen sind, auf das Klimaziel anzurechnen, ist ein Bilanztrick und lenkt von der eigentlichen Aufgabe ab“, sagte Göldner der Nachrichtenagentur AFP.
Göldner verwies zudem auf wissenschaftliche Berechnungen, wonach die EU ihren Treibhausgasausstoß bis 2030 um 65 Prozent senken müsse, um den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens gerecht zu werden. „Europa muss schneller auf saubere Energien aus Sonne und Wind umsteigen und den Aufbau eines sauberen Verkehrs, einer naturverträglichen Landwirtschaft und Waldnutzung voranbringen“, so die Forderung. Dafür müsse Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) jetzt die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen.
Auch die Klima-Allianz Deutschland begrüßte die schärferen Emissionsziele der EU-Kommission als „wichtigen Schritt“. Damit sei die EU ihrem Versprechen, den Klimaschutz ernst zu nehmen, näher gekommen, erklärte Geschäftsführerin Christiane Averbeck. Sie pochte aber ebenfalls auf eine CO2-Reduzierung um 65 Prozent. Dies sei notwendig, um die Erderwärmung gemäß dem Pariser Abkommen auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen.
Zudem verlangte auch Averbeck, mindestens müsse die 55-Prozent-Vorgabe ein festes Reduktionsziel sein und nicht durch die Anrechnung von CO2-senkenden Faktoren wie Wäldern verringert werden. Maßnahmen wie eine andere Waldbewirtschaftung und Landnutzungsänderungen müssten zusätzlich erbracht werden. Außerdem müsse das schärfere Klimaziel „mit einem klaren Maßnahmenkatalog hinterlegt werden“, besonders zum massiven Ausbau erneuerbarer Energien.
„55 Prozent müssen auch echte 55 Prozent sein“, verlangte ebenfalls der Umwelt-Dachverband Deutscher Naturschutzring (DNR). Auch DNR-Präsident Kai Niebert sprach von einem „sehr wichtigen Schritt in Richtung Klimaschutz“, der aber für das 1,5-Grad-Ziel nicht ausreiche. Niebert sowie der Care-Klimaexperte Sven Harmeling drängten gleichfalls auf ein CO2-Minus von 65 Prozent.