Der mögliche Vorsitz der AfD beim Wirecard-Untersuchungsausschuss sorgt bei den übrigen Bundestagsfraktionen für gemischte Reaktionen. Es gebe „keinen Automatismus“, bestimmte Personen zu wählen, sagte der SPD-Digitalsprecher Jens Zimmermann dem „Handelsblatt“ am Donnerstag. „Gerade in einem Untersuchungsausschuss ist es doppelt schwierig, einer Minderheit etwas vorzuenthalten, das ihr nach parlamentarischen Gepflogenheiten zusteht.“ Die Linke äußerte sich deutlich skeptischer.
Die AfD hatte angekündigt, den Vorsitz des von den übrigen Oppositionsfraktionen geplanten Untersuchungsausschusses zum Wirecard-Skandal für sich zu beanspruchen. Dies stehe ihr „nach parlamentarischer Tradition zu“, erklärte der AfD-Finanzexperte Kay Gottschalk. Die Ausschussvorsitzenden werden üblicherweise in fester Reihenfolge nach der Größe der Fraktionen im Bundestag bestimmt – demnach wäre beim U-Ausschuss zum Wirecard-Skandal die AfD am Zug.
Linken-Fraktionsvize Fabio de Masi äußerte Vorbehalte: Trotz eines formalen Anspruchs auf den Vorsitz werde er „keinen Ausschussvorsitzenden unterstützen, der unsere Ermittlungen gefährdet“, sagte er dem „Handelsblatt“. „Dass die AfD offenbar über solche Kandidaten nicht verfügt, ist ja nicht mein Problem.“
Der U-Ausschuss soll mögliche Missstände und Fehlverhalten in Regierung und Verwaltung im Zusammenhang mit dem Finanzskandal bei Wirecard aufklären. „Wir müssen unsere Finanzaufsicht und die Regelungen für Wirtschaftsprüfer so aufstellen, damit sich so etwas möglichst nicht wiederholt“, sagte der Grünen-Finanzexperte Danyal Bayaz dem „Mannheimer Morgen“ vom Donnerstag. Die Bundesregierung habe im Ausland für Wirecard geworben, als es bereits „krasse Vorwürfe“ gegen den Konzern gegeben habe.
„Keiner sieht ein wirkliches Fehlverhalten oder eine Zuständigkeit bei sich. Das kann nicht so bleiben“, kritisierte Bayaz. Er erwartete unter den Zeugen vor dem Ausschuss auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Wirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD).
Die Untersuchungen und das große Interesse am Fall Wirecard hätten die Möglichkeit geschaffen, jetzt die nötigen Reformen durchzusetzen, sagte Finanzminister Scholz am Donnerstag in Frankfurt mit Blick auf eine deutlichere Trennung von Wirtschaftsberatung und -prüfung sowie stärkere Instrumente der Finanzaufsicht. Neue Gesetze sollten „so schnell wie möglich“ ausgearbeitet und diskutiert werden – womöglich auch vor Beendigung des U-Ausschusses. „Mein Ministerium ist sehr gut vorbereitet, auch durch eigene Recherchen“, sagte Scholz.