Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat mit Vertretern aus Einzelhandel, Kommunen und Verbänden über die Rettung der Innenstädte vor einer Verödung in der Corona-Krise gesprochen. Gewachsene Stadtzentren zu „bewahren“ sei elementar für den Wirtschaftsstandort Deutschland sowie dessen kulturelle und regionale Identität, sagte Altmaier am Dienstag in Berlin nach seinem virtuellen runden Tisch mit gut 20 Experten aus den Branchen. Lösungsvorschläge sollen nun möglichst rasch folgen.
Die Videokonferenz soll nach dem Willen des Ministers als Auftakt für eine Reihe von Workshops in den kommenden Monaten dienen, bei denen unter anderem konkrete Vorschläge zur Digitalisierung und zur Nutzung leerstehender Läden sowie ganze Stadtteilkonzepte erarbeitet werden sollen. Mitte kommenden Jahres sei voraussichtlich wieder ein weitgehend „normaler Geschäftsbetrieb“ möglich, ab 2022 dann auch wieder vermehrt Neugründungen, erwartete Altmaier.
„Die Probleme des Einzelhandels haben nicht erst mit Corona begonnen“, sagte der Minister. Er verwies auf starke Konkurrenz durch den Onlinehandel und „immer mehr Einkaufszentren auf der grünen Wiese“. Die Pandemie habe die Probleme indes verstärkt. Händler, Dienstleister und Gastronomiebetriebe in den Innenstädten sind besonders betroffen: Massive Einschränkungen im Frühjahr und derzeitige Sperrstunden in Corona-Hotspots sorgten für heftige Verluste und bedrohen die Existenz zahlreicher Geschäfte.
Die Händler müssten sich „für die Zukunft rüsten“, hätten in der Krise aber vielfach nicht mehr das nötige Eigenkapital dafür, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands HDE, Stefan Genth, nach den Beratungen mit Altmaier. Der Verband warnt vor der Pleite von bis zu 50.000 Geschäften bis zum Ende der Pandemie und forderte am Dienstag unter anderem 100 Millionen Euro zur Förderung von Investitionen in Digitalisierung.
Außerdem müssten der „Branchenmix“ und das Erscheinungsbild der Ladenzeilen in den Innenstädten attraktiver gestaltet werden, sagte Genth. Gleichzeitig räumte er ein, auch die Händler selbst müssten ihre „Hausaufgaben machen“. Es habe in der Vergangenheit Versäumnisse gegeben, sagte auch Altmaier. „Aber es bringt wenig, Schuldzuweisungen zu versuchen.“
Die Grünen hingegen sehen durchaus Schuld beim Wirtschaftsminister. „Es ist völlig unverständlich, warum Altmaier erst jetzt merkt, dass er sich um die Innenstädte kümmern muss“, erklärten Katharina Dröge, Sprecherin für Wirtschaftspolitik, und Daniela Wagner, Sprecherin für Stadtentwicklung der Grünen-Fraktion. Sie forderten eine „faire Risikoteilung zwischen gewerblichen Mietern und Vermietern bei den Mietkosten in dieser Krise“ sowie einen 500 Millionen Euro schweren Notfallfonds für die Innenstädte. Außerdem sollten über die Städtebauförderung 290 Millionen Euro für Digitalisierungsprojekte bereitgestellt werden.
Der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Bernhard Daldrup, mahnte Vereinfachungen bei der Städtebauförderung des Bundes an und sprach sich in diesem Zusammenhang für „multifunktional nutzbare Gebäude statt klassischer Einkaufstempel“ aus. Leerständen sei nicht allein mit verlängerten Überbrückungshilfen und Neuvermietungen zu begegnen, erklärte Daldrup.