Eine einheitliche Kennzeichnung von Corona-Risikogebieten soll dem Flickenteppich der Reisebeschränkungen in Europa ein Ende setzen. Die Europa-Minister der 27 Mitgliedstaaten beschlossen am Dienstag in Luxemburg nach wochenlangen Verhandlungen die Einführung eines entsprechenden Ampelsystems. Allerdings ist es den einzelnen Ländern weiterhin freigestellt, ob und wie sie darauf basierend Maßnahmen beschließen. Fluggesellschaften bezeichneten die Einigung deshalb umgehend als „Scheitern“ eines gemeinsamen Vorgehens.
Wie zu Beginn der Pandemie im Frühjahr gehen die EU-Staaten derzeit unterschiedlich bei Reisebeschränkungen wegen des Coronavirus vor. So gibt es etwa von deutscher Seite eine Reisewarnung für Belgien, nicht aber von französischer. Ungarn hat unter Berufung auf das Virus sogar generell die Einreise untersagt; Ausnahmen gibt es nur für Reisende aus Polen, Tschechien und der Slowakei.
Den beschlossenen Regeln zufolge sollen Gebiete in Europa künftig mit den Farben Grün, Orange und Rot gekennzeichnet werden. Die Einstufung erfolgt auf Basis der Zahl der Corona-Fälle und der Testrate pro 100.000 Einwohner sowie dem Anteil positiv ausgefallener Tests. Die Mitgliedstaaten sollen diese Daten wöchentlich an die EU-Krankheitsbekämpfungsbehörde ECDC melden, die damit eine Karte aktualisiert.
Wie genau die Mitgliedstaaten mit der Klassifizierung umgehen, ist aber offen. Nur bei grünen Gebieten soll es keinerlei Beschränkungen geben. Ab orange können die Mitgliedstaaten Quarantäne oder Corona-Tests vorschreiben. Eine Höchstdauer der Selbst-Isolierung wird nicht vorgegeben. Außerdem handelt es sich bei den Leitlinien lediglich um eine Empfehlung, da Einreisebeschränkungen in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liegen.
Mehrere Mitgliedstaaten enthielten sich bei der Abstimmung. Offene Kritik am beschlossenen Text äußerte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn: Dies könne nur „ein erster Schritt“ sein. „Es müssen andere Kriterien dazu kommen“, etwa die Sterberate und die Auslastung der Krankenhäuser. Nach Angaben von EU-Diplomaten stimmten fünf Länder nicht zu oder enthielten sich.
Die EU-Kommission begrüßte die Einigung dennoch, weil sie „mehr Ordnung in die derzeitig verwirrende Situation bringen“ werde. Die EU habe ihre Lektion gelernt: „Wir werden die Krise nicht durch einseitige Grenzschließungen überwinden, sondern durch Zusammenarbeit“, erklärte die Behörde.
Scharfe Kritik kam hingegen von Vertretern des Luftfahrtsektors. Die EU-Mitgliedstaaten seien offensichtlich unfähig, „über eine oberflächliche Koordinierung hinauszugehen und einen wirklich harmonisierten und praktikablen Rahmen zu schaffen“, erklärten die führenden Airline-Verbände ACI Europe, Airlines for Europe und IATA. Der Mangel an Koordination habe die Erholung des Reise- und Tourismussektors „zunichte gemacht“ und gefährde Millionen von Arbeitsplätzen.