Der US-Präsident wird indirekt durch das „Electoral College“ gewählt

US-Capitol/Kongress, USA
US-Capitol/Kongress, USA

Es ist eine höchst umstrittene Institution: In den USA wird der Präsident nicht direkt durch die Wähler, sondern durch ein Kollegium von Wahlleuten gewählt, das sogenannte Electoral College. Die Besonderheiten des US-Wahlrechts führen dazu, dass ein Kandidat ohne eine landesweite Stimmenmehrheit Präsident werden kann. Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Warum gibt es eine indirekte Wahl?

Festgelegt wurde das Wahlkollegium in der US-Verfassung des Jahres 1787. Die Verfassungsväter sahen in dem System einen Kompromiss zwischen einer direkten Wahl des Präsidenten durch das Volk und einer Wahl durch den Kongress. Hintergrund war unter anderem Misstrauen in die Fähigkeit der Wähler, einen guten Präsidenten zu wählen.

Wie setzt sich das Wahlkollegium zusammen?

Dem Kollegium gehören 538 Wahlmänner und -frauen an. Wieviele Wahlleute ein Bundesstaat vergibt, hängt von seiner Bevölkerungsstärke ab. Die Regel lautet: Jeder Bundesstaat hat so viele Wahlleute wie Abgeordnete (abhängig von der Bevölkerungsgröße) und Senatoren (immer zwei pro Bundesstaat) im US-Kongress zusammengenommen.

Der bevölkerungsreichste Bundesstaat Kalifornien hat 55 Wahlleute, die Bundesstaaten mit der kleinsten Bevölkerung und der Hauptstadtbezirk Washington DC haben jeweils drei. Jede Partei sucht vor der Wahl ihre eigenen Wahlleute aus.

In fast allen Bundesstaaten gilt die Alles-oder-nichts-Regel (The winner takes it all): Sämtliche Wahlleute gehen an den Kandidaten, der in diesem Staat die Mehrheit errungen hat – egal, wie knapp die Mehrheit ausgefallen ist. Ausnahmen machen nur Maine und Nebraska, wo die Wahlleute aufgeteilt werden.

Welche Mehrheit braucht ein Kandidat?

Für den Einzug ins Weiße Haus sind mindestens 270 der 538 Stimmen in dem Wahlkollegium erforderlich. Nicht notwendig dagegen ist eine Mehrheit der landesweit abgegebenen Stimmen. Und so ist es möglich, dass ein Präsident mit einer Mehrheit im Electoral College gewählt wird, ohne die meisten Wählerstimmen auf sich vereint zu haben.

In der US-Geschichte geschah dies bislang fünf Mal, zuletzt vor vier Jahren: Die Demokratin Hillary Clinton gewann zwar landesweit rund drei Millionen Stimmen mehr als Donald Trump; der Republikaner erzielte aber eine Mehrheit von 304 Stimmen im Wahlkollegium. In diesem Jahr dürfte Trumps Herausforderer Joe Biden aller Voraussicht nach die meisten Wählerstimmen gewinnen – das bedeutet aber nicht, dass er auch die Wahl gewinnen wird.

Viele Kritiker halten das Wahlsystem für veraltet und undemokratisch, und das nicht erst seit der Wahl 2016. Versuche einer umfassenden Wahlrechtsreform sind aber stets gescheitert.

Sind die Wahlleute an das Wahlergebnis gebunden?

Die US-Verfassung schreibt den Mitgliedern des Wahlkollegiums keineswegs vor, entsprechend des Wahlausgangs in ihrem jeweiligen Bundesstaat abzustimmen. Es gibt allerdings viele Bundesstaaten, die ihre Wahlmänner und -frauen dazu verpflichten. Bei einem Verstoß kann sogenannten untreuen Wahlleuten eine Geldstrafe drohen – eine Praxis, die im Juli vom Obersten US-Gerichtshof gebilligt wurde.

In der US-Geschichte haben Wahlleute mit überwältigender Mehrheit abgestimmt, wie von ihnen erwartet wurde: Zwischen 1796 und 2016 scherten nur 180 Wahlleute aus der Reihe. Den Ausgang einer Präsidentschaftswahl hat dies noch nie verändert. 2016 verweigerten zwei Wahlleute dem Wahlsieger Trump ihre Stimme, er bekam deswegen 304 anstelle von 306 Stimmen.

In welchen Schritten wird der US-Präsident letztlich bestimmt?

Am 14. Dezember werden die Wahlleute in ihren Bundesstaaten ihre Stimmen abgeben. Am 6. Januar wird der US-Kongress in Washington dann in einer gemeinsamen Sitzung von Repräsentantenhaus und Senat das Ergebnis bestätigen. Vizepräsident Mike Pence, der Kraft seines Amtes zugleich Senatspräsident ist, wird das Wahlergebnis verkünden. Der Präsident wird schließlich am 20. Januar vereidigt.

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