EU-Kommission dringt auf gerechtere Mindestlöhne – hat aber kaum Handhabe

Europäische Union - Bild: Mauro Bottaro
Europäische Union - Bild: Mauro Bottaro

Die EU-Kommission dringt auf gerechtere Löhne in Europa. Ein am Mittwoch in Brüssel vorgestellter Entwurf für eine EU-Richtlinie soll „die Mindestlöhne in der EU erhöhen“. Brüssel will und kann dafür allerdings weder Gehälter selbst festlegen, noch den Mitgliedstaaten vorschreiben, wie sie dies zu tun haben. Der Fokus soll stattdessen auf der Ausweitung und Förderung tariflich ausgehandelter Mindestlöhne liegen.

Untersuchungen hätten ergeben, dass Länder mit einem hohen Anteil tarifvertraglich vereinbarter Löhne „tendenziell einen geringeren Anteil an Niedriglohnempfängern, eine geringere Lohnungleichheit und höhere Mindestlöhne haben“, erklärte die Kommission. „Tarifverhandlungen sollten deshalb in allen Mitgliedstaaten der Goldstandard sein“, erklärte EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit.

Die Initiative geht auf ein Versprechen von Kommissionschefin Ursula von der Leyen zurück. Vor ihrem Amtsantritt hatte sie angekündigt, sich für „gerechte“ Mindestlöhne einzusetzen, die „am Ort der Arbeit einen angemessenen Lebensstandard“ ermöglichen. Allerdings liegt es nicht im Aufgabenbereich der EU, die Gehälter in den Mitgliedstaaten festzulegen. Die jetzigen Vorschläge der Kommission sind daher in weiten Teilen nicht bindend.

Sechs Staaten – die nordischen Länder, Österreich, Italien und Zypern – verfügen nach Einschätzung der Kommission bereits über sehr gute Systeme, wobei die Gehälter ausschließlich mittels Tarifverhandlungen festgelegt werden. Die restlichen 21 EU-Staaten, in denen ein gesetzlicher Mindestlohn gilt, sollten diesen künftig „regelmäßig bewerten und anpassen“, sagte Sozialkommissar Schmit.

Demnach sollen die Mitgliedstaaten nach wie vor „nach ihren eigenen Verfahren, ihrer eigenen Kultur, ihrer eigenen Gesetzgebung ihre eigenen Mindestlöhne festlegen“, dabei aber „eine Reihe von Kriterien beachten“. Schmit nannte etwa die Kaufkraft, das Lohnniveau und die wirtschaftliche Produktivität. Länder, in denen weniger als 70 Prozent der Löhne tarifvertraglich festgelegt werden, sollen sich außerdem darum bemühen, diesen Anteil zu erhöhen.

Die Kommission werde die Entwicklung mit einer eigenen jährlichen Prüfung überwachen, erklärte die Behörde weiter. Die Mitgliedstaaten sollen dafür entsprechende Berichte in Brüssel vorlegen. Dies richtet sich laut Kommissar Schmit auch explizit gegen Lohndumping: „Es ist nicht akzeptabel, dass Gehälter und besonders niedrige Gehälter das wichtigste Wettbewerbsinstrument (im europäischen Binnenmarkt) werden“, sagte der Luxemburger.

Die Kommission verspricht sich von diesem Schritt im Kontext der Corona-Pandemie zudem „ein wichtiges politisches Signal“. Menschen mit niedrigen Gehältern würden von der Krise besonders getroffen. Aber die Wirtschaft könne nicht wieder aufgebaut werden, „wenn zehn Prozent der Menschen sich als Verlierer der Krise fühlen“, sagte Schmit.

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