Die Verhandlungen der EU-Agrarminister zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik werden voraussichtlich bis in die Nacht weitergehen. Eine am Dienstagnachmittag geplante öffentliche Debattenrunde in Luxemburg wurde vorerst abgesagt, weil weiterhin keine Einigung in Sicht war, wie die Nachrichtenagentur AFP aus EU-Kreisen erfuhr. Ein möglicher Kompromissvorschlag soll demnach nun am Abend diskutiert und anschließend weiter verhandelt werden.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner war zuvor bereits von einem „langen Tag“ der Verhandlungen ausgegangen. Kein Mitgliedstaat wolle durch die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) Gelder verlieren, sagte die CDU-Politikerin, die als Vertreterin der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die Verhandlungen leitet. Demnach hakte es besonders noch bei der Frage nach einer stärkeren Verknüpfung der Hilfen für Landwirte mit Umweltmaßnahmen.
Die europäische Landwirtschaft soll durch die GAP-Reform nachhaltiger werden, bei der Debatte geht es für die Mitgliedstaaten aber auch um eine Menge Geld. Die Agrarpolitik ist der größte Posten im EU-Haushalt. In der vorläufigen Einigung der EU-Staaten für den nächsten Gemeinschaftshaushalt sind dafür über sieben Jahre 387 Milliarden Euro vorgesehen, gut 42 Milliarden davon für Deutschland.
Der Großteil der Mittel fließt traditionell als Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe. Diese Gelder können laut aktuellem EU-Regelwerk an Umweltprogramme, sogenannte Eco-Schemes, geknüpft werden, um Landwirten Anreize für mehr Umweltschutz zu bieten. Die Anwendung der Eco-Schemes ist für Mitgliedstaaten bislang freiwillig.
Das soll sich laut Klöckner mit der Reform ändern. Jedes EU-Land sollte demnach einen Mindestanteil von 20 Prozent der Direktzahlungen an die Teilnahme der Landwirte an besagte Umweltprogramme knüpfen. Die Inanspruchnahme dieser Programme und damit die Abrufung der EU-Mittel wäre den Landwirten freigestellt. Einige Mitgliedstaaten befürchten deshalb Verluste, wenn nicht genügend Landwirte teilnehmen. Auch die Ausgestaltung der Umweltprogramme ist umstritten.
Eine weitere Streitfrage unter den Agrarministern ist, inwiefern kleine Betriebe von Umweltauflagen ausgenommen werden sollten, um sie nicht zu sehr mit Bürokratie zu belasten. Einige EU-Länder fordern zudem eine Kappung der Zahlungen pro Betrieb, um kleine Betriebe zu fördern. Denn in den meisten EU-Ländern hängt die Höhe der Direktzahlungen in erster Linie von der bewirtschafteten Fläche des Betriebs ab.
„Wir haben bis spät in die Nacht zusammengesessen“, sagte Klöckner rückblickend auf den ersten Verhandlungstag am Montag. „Jeder Mitgliedstaat hat seine eigene Landwirtschaft und auch seine eigenen Vorstellungen.“ Aber die EU könne es alleine schon aus Wettbewerbsgründen nicht jedem Staat überlassen, „ob er höhere Umwelt- und Klimastandards einführt und welches Budget er dafür einsetzte“.
Die GAP-Reform sollte ursprünglich 2020 abgeschlossen sein und 2021 an den Start gehen. Wegen der Verzögerungen bei den Verhandlungen zum nächsten mehrjährigen EU-Haushalt verzögerte sich aber auch der Zeitplan der Agrarminister. Jetzt ist eine zweijährige Übergangsphase vorgesehen, in der die Mittel aus dem neuen Haushalt noch nach den alten Regeln vergeben werden.
Parallel debattiert derzeit auch das EU-Parlament über die Reformpläne. Das Thema ist unter den Abgeordneten ebenfalls hoch umstritten. Wegen mehr als 2000 Änderungsanträgen werden sie sich wohl erst gegen Ende der Woche auf eine gemeinsame Position verständigen. Mit einer Einigung im Rat der Mitgliedstaaten könnten dann die Verhandlungen zwischen den beiden EU-Institutionen für einen finalen Text beginnen.