Patientinnen und Patienten sollen generell die Möglichkeit erhalten, sich in bestimmten Fällen ohne den Besuch in einer Arztpraxis krankschreiben zu lassen. Eine erstmalige Krankschreibung und eine Verlängerung sollten künftig per Videosprechstunde möglich sein, heißt es nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums vom Dienstag in einem aktuellen Gesetzentwurf des Ressorts. Dies soll demnach unabhängig von einer Pandemie-Situation gelten.
Das Gesundheitsministerium bestätigte damit im Grundsatz Berichte der Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). „Insbesondere bei einfach gelagerten Erkrankungsfällen und zur Vermeidung von Infektionen über Wartezimmer sollte die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der Videosprechstunde auch im Rahmen einer ausschließlichen Fernbehandlung erfolgen können“, heißt es in der Begründung des Referentenentwurfs für das geplante Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege, der nach Angaben des Ministeriums am Montag zur Anhörung an Ressorts, Länder, Verbände und Fraktionen versandt wurde.
Die Option der ausschließlichen Fernbehandlung soll laut Gesundheitsministerium in der entsprechenden Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) verankert werden. Im Sommer war zunächst vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie die Regelung eingeführt worden, dass eine Krankschreibung für maximal sieben Tage auch per Videosprechstunde möglich ist. Allerdings setzt dies bislang eine vorherige Präsenzbehandlung voraus.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plant dem Bericht der RND-Zeitungen zufolge zudem, dass Versicherte der gesetzlichen Pflegeversicherung einen Anspruch auf die Erstattung von digitalen Pflege-Helfern bekommen sollen. Dabei geht es um Apps, die eine Betreuung von Pflegebedürftigen im Heim oder zu Hause unterstützen. Solche Apps gibt es etwa für die Sturzprävention oder das Kontinenzmanagement.
Möglich wären auch Anwendungen, die durch Sensoren den Zustand von Pflegebedürftigen überwachen oder dokumentieren. Solche Pflege-Apps könnten ähnlich wie bereits digitale Gesundheitsanwendungen durch das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte geprüft und zugelassen werden.
Über die Pläne Spahns zur Ausweitung von Videosprechstunden berichtete auch das Portal „The Pioneer“. Demnach soll die Vermittlung von Terminen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen künftig um die Vermittlung telemedizinischer Leistungen ergänzt werden, „so dass Versicherte ein Angebot aus einer Hand erhalten“, hieß es ebenfalls unter Berufung auf den Gesetzentwurf des Gesundheitsressorts.
Versicherte und Leistungserbringer sollen demnach ab 2023 digitale Identitäten erhalten, um sich zum Beispiel für eine Videosprechstunde sicher zu authentifizieren, berichtet das Portal weiter. Krankschreibungen per Video sollen demnach auch möglich sein, wenn eine Patientin oder ein Patient zuvor noch nie in der betreffenden Arztpraxis war. Zudem will Spahn laut „The Pioneer“ Videosprechstunden auch für Logopäden, Physiotherapeuten oder Hebammen ermöglichen.
Die künftig kontaktlos einlesbare elektronische Gesundheitskarte solle dem Gesetzentwurf zufolge künftig wieder nur als Versicherungsnachweis der Versicherten und nicht als Datenspeicher dienen. Alle Daten, auch Notfalldaten und Angaben zu verschriebenen Medikamenten sollten dann ausschließlich in einer elektronischen Patientenakte gespeichert werden.
Mehrausgaben für die Krankenkassen durch die Neuregelungen, unter anderem die Ausweitung der Videosprechstunde, beziffert das Ministerium laut „The Pioneer“ auf rund 99 Millionen Euro pro Jahr. Das neue Gesetz soll laut Gesundheitsministerium voraussichtlich Mitte kommenden Jahres in Kraft treten.